Vegane Wurst aus der Fleischindustrie
Vegan-Produkte

Neben dem ursprünglichen Geschäftsfeld, dem Töten von Tieren, steigen viele Fleischgiganten in den Markt für vegane Ersatzprodukte ein. Am Leid und Tod der Tiere ändert das nichts.

Tofu-Wurst vom Fleischkonzern?

Der Markt für vegane Produkte boomt. Kein Wunder, dass auch die Großen der Tierindustrie ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Bereits seit mehreren Jahren gibt es vegetarische und vegane Vegetaria-Produkte (ehemals vom Schlachthofkonzern VION, nun ARTLAND Convenience GmbH). Rügenwalder produziert seit 2015 vegetarischen Wurstaufschnitt und im Supermarkt gibt es vegane Wurst von Wiesenhof zu kaufen.

Nicht nur Freude über diese Entwicklung

Ein Effekt der Entwicklung: Die veganen Sparten dieser Großkonzerne, die maßgeblich ihr Geld mit Tierleid verdienen, verdrängen Produkte der kleineren, rein vegan produzierenden Pioniere aus den Supermarktregalen (siehe auch unser Nachtrag von Oktober 2015, weiter unten). Spätestens wenn die Großen untereinander um die besten Plätze im veganen Regal kämpfen, dürften die kleinen Marken endgültig aus den meisten Supermärkten verschwinden. Ein verrückter Effekt: Der Vegan-Boom wird womöglich dazu führen, dass gerade die rein vegan produzierenden Hersteller, die zudem meist einen ethisch motivierten Hintergrund haben, zugunsten der Tierleidprofiteure in Nischenbereiche – wie etwa Bio-Märkte – zurückgedrängt werden oder komplett vom Markt verschwinden.

Vegane Produkte nur eine Sparte für Fleischkonzerne

Die vegane Fleischkonzernwurst bedeutet auch nicht, dass in absehbarer Zeit weniger Tiere ausgebeutet und getötet werden. Sie dient lediglich dazu, ein neues lukratives Marktsegment zu erschließen und neben tierlichen nun auch vegane Produkte zu verkaufen. Dass etwa Wiesenhof sehr langfristig nicht aus der Tierproduktion aussteigen wird, zeigen großangelegte Investitionen in die Modernisierung und den Neubau von „Produktionsanlagen“. Geplant und teilweise umgesetzt ist zum Beispiel die Erweiterung der eigenen Schlachthöfe in Möckern (Sachsen-Anhalt), Königs-Wusterhausen (Brandenburg) und Lohne (Niedersachsen). Sollte dies Wirklichkeit werden, würden allein in diesen Schlachthöfen statt bisher 500.000 Hühner künftig über 900.000 Hühner pro Tag geschlachtet – und damit auch fast doppelt so viele neue Hühnermastanlagen im jeweiligen Einzugsgebiet entstehen.

Seit Jahren schlachten deutsche Fleischkonzerne immer mehr Tiere, insbesondere für den Export. Und vegan lebende Menschen, die Tierleid verhindern wollen, sollen nun die Investitionen dieser Konzerne unterstützen?

Die Verhältnisse von Grund auf ändern

Animal Rights Watch rät dazu, stattdessen kleine Tofumacher und Lebensmittelherstellerinnen zu unterstützen, die ausschließlich vegan produzieren und idealerweise auch für weitere Ideale wie Ökologie und Fairness einstehen. Angepasstes Konsumverhalten alleine kann jedoch nicht das Allheilmittel sein. Es geht darum, der Tierindustrie die gesellschaftliche Legitimation für ihr Tun zu entziehen. Den dafür nötigen Bewusstseinswandel auf breiter Ebene – weg vom heutigen System der Tiernutzung und hin zur umfänglichen Achtung der legitimen Interessen und Rechte auch nichtmenschlicher Tiere – werden wir nicht durch individuelle Konsumentscheidungen erreichen. Dafür müssen wir sichtbar sein und laut und deutlich zu verstehen geben, dass wir Tierausbeutung nicht länger hinnehmen. Denn Politik und Wirtschaft haben kein Interesse daran, die allgegenwärtige Tierquälerei von sich aus zu beenden.

Aktiv werden

Unsere Demokratie lebt davon, dass sich Menschen einmischen. Nur so kann der öffentliche Druck erzeugt werden, der für grundsätzliche Veränderungen nötig ist. Statt nur auf den eigenen Konsum zu schauen, sollten wir zum Beispiel Gruppen und Bürgerinitiativen gründen oder unterstützen, die Schlachthofausbauten und neue Mastanlagen verhindern. Es gibt viele Möglichkeiten, aktiv zu werden, um die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verändern. Nur wenn immer mehr Menschen aktiv die Demokratie wieder mit Leben füllen, wird sich etwas ändern. Und das kann dann ziemlich schnell gehen.

Nachtrag (Oktober 2015):

Die rein veganen Hersteller Lord of Tofu und Veggy Friends bestätigen in aktuellen Statements, dass ihre Produkte aus den Supermarktregalen verdrängt werden, um Platz für die neuen „veganen“ Produkte der Fleischkonzerne zu schaffen. Dabei könnten beide Hersteller mit höherer Kapazität produzieren. Lord of Tofu muss nun sogar Menschen entlassen und das zum ersten Mal seit 20 Jahren! Lord of Tofu erklärten Anfang Oktober außerdem, dass sie beim Vegetarierbund (VEBU) aussteigen, da die Unterstützung großer konventioneller Fleischkonzerne durch den VEBU dazu führt, dass sie als Produzenten von veganen Bioland-Lebensmitteln aus den Lebensmittelgeschäften wieder ausgelistet werden. Denn natürlich ist es jetzt für den Lebensmitteleinzelhandel einfacher beim Fleischlieferanten auch Veggie-Produkte mit zu bestellen. Für die rein veganen Lieferanten erschwert sich die Situation jedoch noch mehr.

Zwei Beispiele von VEGGY FRIENDS auf die Reaktion in Einkaufsgesprächen:

„Tut mir auch leid, aber Sie können das sicher verstehen, wenn Konzern XY jetzt auch vegane Produkte herstellt, müssen wir diese einfach einlisten. Alleine schon aus dem Grund, da Konzern XY auch noch das halbe Fleischregal beliefert.“

„Zu wem gehören Sie denn? Eigenständig? Also, Tochterunternehmen, von wem denn? Wie, Sie gehören wirklich zu KEINEM? Das finde ich ja toll, auch Ihr Engagement, und ihre Produkte gefallen mir wirklich gut. Aber Sie müssen leider verstehen, dass ich jetzt erst mal abwarten muss, denn Konzern XY hat schon neue „vegane“ Produkte angekündigt, die wir auf jeden Fall nehmen müssen. Aber wenn wir dann noch Platz haben, komme ich gerne auf Sie zurück.“ Kam natürlich keine Antwort mehr!

Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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