Rinder in der Milchindustrie
Rinder

Kühe in der Milchindustrie sind nach 4 Jahren Turbomilchgeben so ausgebrannt, dass nur noch der Schlachthof wartet.

Das Leben der Rinder: jenseits von „grüne Wiese“

Erst sind sie „Milchkuh“, dann werden sie „Rindfleisch“: Die Rindfleischproduktion in Deutschland erfolgt überwiegend durch die Schlachtung ausgedienter „Milchkühe“ und deren für die Milchproduktion unbrauchbaren männlichen Nachkommen. Die Haltung von Rindern der „Fleischrassen“, die man vereinzelt in „Mutterkuhhaltungen“ grasend auf einer Weide sieht, spielt zahlenmäßig in Deutschland nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Das Leben der Rinder

Die Kühe auf der „grünen Wiese“ stellen nur einen verschwindend geringen Teil des gesamten Rinderbestandes der fast 13 Millionen in Deutschland lebenden Rinder dar. Bei diesen Tieren handelt es sich meist um Rinder so genannter Fleischrassen, die nicht zur Milchproduktion verwendet werden, oder um „Färsen“: junge weibliche Kühe vor dem ersten „Kalben“, denen nach der Geburt ihres ersten Kalbes ein Leben als „Milchkuh“ im Stall bevor steht.

Ab da sind „Milchkühe“ Produktionseinheiten und verbringen ihr kurzes Leben meist ausschließlich auf rutschigen Spaltenböden im Stall, ohne jemals eine grüne Wiese betreten zu dürfen. Mit Bauernhofidylle hat das Dasein der 4,2 Millionen deutschen Kühe in der Milchindustrie nichts gemeinsam: 58 % der deutschen Kühe verbringen ihr komplettes Leben in reiner Stallhaltung. Sie leben bestenfalls in einem „modernen“ Laufstall, schlimmstenfalls in Anbindehaltung. Am Hals fixiert haben diese Tiere keine Bewegungsmöglichkeit außer Stehen oder Liegen: immer in die gleiche Richtung.

Kühe liegen gerne weich, doch ein dickes Strohlager zum Liegen haben die wenigsten von ihnen: die meisten Kühe müssen auf purem Beton stehen, laufen und liegen in sogenannten „Fress-Liege-Buchten“ auf dem harten Boden. Ihre Produktivität wird in modernen Ställen vollautomatisch überwacht. Mittels Chip am Halsband oder Bein wird erfasst, wie oft und wann die Kuh gemolken wird, die gemolkene Milchmenge gespeichert. Selbst das Kraftfutter wird automatisch in der für sie bestimmten Menge zugeteilt.

Wie jedes Säugetier „gibt“ auch eine Kuh nur dann Milch, wenn sie ein Baby geboren hat. Kühe in der Milchproduktion werden in „Dauerschwangerschaft“ gehalten: sie bringen in ihrem Leben nach künstlicher Befruchtung 3-4 Kälber zur Welt, die ihnen unmittelbar nach der Geburt weggenommen werden. Während die naturgemäß für die Kälber bestimmte Milch zur Herstellung von Milchprodukten für den menschlichen Konsum verwendet wird, werden die Kälber mit Milchaustauscher gefüttert.

Sowohl für die Mutter als auch für ihren Nachwuchs bedeutet die Trennung eine ganz erhebliche psychische Belastung. Statt unter dem ständigen Schutz der Mutter und der Herde wachsen die Kälber bis zum Alter von 8 Wochen in Einzelhaltung auf. Meist in „Kälberiglus“: Plastikhütten, wo grade ein Kalb hineinpasst. Schwere Verhaltensstörungen und Leiden der zu Waisen gemachten Kälber lassen sich auch durch die später vorgeschriebene Gruppenhaltung nicht ausgleichen. Die Kälber sind nicht mehr als „Abfallprodukte“ der Milchproduktion.

Die weiblichen Kälber „wachsen“ in die Milchproduktion. Diesen Tieren, sofern nicht genetisch hornlos, werden oft die Hornansätze verätzt oder verbrannt – aus Gründen der Kostenersparnis ohne Betäubung. Da dort Nerven enden, ist die Enthornung eine extrem schmerzhafte Prozedur für die Tiere. Der Grund für die Enthornung: in der Enge der Haltungseinrichtungen steigt die Verletzungsgefahr. Auch die Tatsache, dass die Tiere keine natürliche Aufzucht erleben durften, kein Sozialverhalten lernen konnten und keine Herde bilden, erschwert das Zusammenleben der Kühe.

Die männlichen Kälber werden zur Fleischproduktion in kurzer Zeit gemästet: viele enden schon im Kindes- und Kleinkindesalter im Schlachthof. Bis dahin führten auch sie kein glückliches Leben auf der grünen Wiese, sondern im Stall und wurden gemästet, um möglichst schnell „schlachtreif“ zu sein. Gleiches gilt für die männlichen Rinder, welche längere Zeit gemästet wurden, um dann als Teil der jährlich etwa 1,4 Millionen Ochsen und Bullen im Schlachthof zu enden (Deutschland 2017).

Viele Kühe leiden an Mastitis, einer schmerzhaften Euterentzündung, die nicht selten zum frühzeitigen Tod führt. Die Euter der auf maximale Milchleistung gezüchteten Kühe sind unnatürlich groß, so dass die heutige „Milchkuh“ das Ergebnis einer Qualzucht ist, die es laut Tierschutzgesetz eigentlich gar nicht geben dürfte.

Die überdimensionalen Euter bereiten Probleme, sind extrem empfindlich gegen Tritte und Stöße. Eindringende Erreger durch das ständige Melken und das Liegen auf verkoteten Betonflächen sind Ursachen für schmerzhafte Euterentzündungen. Auch die Fütterung mit Kraftfutter, ohne die sie die hohen Milchleistungen nicht bringen könnten, statt mit artgerechtem Futter wie Gras und Heu schadet der Gesundheit der Kühe.

Nicht nur durch die unnormale Milchleistung, auf die sie gezüchtet wurden, verursachen eine Vielzahl von Krankheiten. Durch die unnatürlichen Haltungsbedingungen leiden diese Hochleistungskühe oft an weiteren Krankheiten wie Bein- und Klauenkrankheiten. Sehr wenig Platz, schwere Bein- und Fußkrankheiten durch Betonspaltenböden oder nasse bzw. mit Gülle verschmutzen Böden, mangelhafte Pflege und Hygiene stellen die größten Gefahren für die Verursachung von Bein- und Fortbewegungsproblemen bei Kühen dar. Die lahmen Kühe haben Schmerzen und große Schwierigkeiten, sind anfälliger für weitere Erkrankungen wie Mastitis und Stoffwechselkrankheiten.

Die Milchproduktion weist einen enormen Verschleiß an Tieren auf. Unter normalen Umständen könnte eine Kuh gut 20 Jahre alt werden. Doch das Leben der heutigen Milchkuh endet meist nach nur ca. fünf Jahren als „unproduktiv“ in einem Schlachthof. 1,25 Millionen „Milchkühe“ wurden im Jahr 2017 in deutschen Schlachthöfen geschlachtet.

Bio als Lösung?

Glückliche Kühe auf grüner Wiese sind die Idealvorstellung des Verbrauchers, der beim Einkauf auf Milchprodukte aus vermeintlich artgerechter Haltung achtet. Nur 3,6 % (Jahr 2016) der in Deutschland gehaltenen Milchkühe sind „Bio-Tiere“ – sind wenigstens sie glücklich? Ein kurzer Blick nach Bayern verschafft Aufklärung, dass selbst Bio-Kühe alles andere als ein „artgerechtes Leben“ führen. In 900 bayerischen Bio-Betrieben leben die Milchkühe in Anbindehaltung im Stall – und das ganz legal. Derzeit lebt etwa ein Drittel aller ökologisch gehaltenen Milchkühe in Anbindehaltung. Ihr Leben währt dabei nicht länger als das der „konventionellen Milchkühe“ – nach etwa 5 Jahren sind auch sie so verbraucht, dass sie im Schlachthof landen.

Die hübsche Vorstellung, dass der Mensch der Kuh nur die Milch nimmt, die „sowieso da ist und übrig bleibt“, ist auch bei Bio pure Illusion. Auch Bio-Kälbern wird die Trennung von ihren als Milchkühen gehaltenen Müttern kurz nach der Geburt zugemutet, während der Mensch die Milch trinkt, die für die Kälber bestimmt war. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zeigt sich auch beim Thema „schmerzhafte Eingriffe“: in fast der Hälfte der Bioherden sind die Rinder enthornt.

Stand: 08/2019 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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