Kalb
Hundekot und Kälbertod

Hundekot auf Wiesen und Weiden ist nicht die Ursache für Kälbersterblichkeit. Die Parasitenverbreitung erfolgt im Kuhstall.

Sind Hunde schuld am Kälbertod?

Verunsicherte Hundehalter, klagende Landwirte, Hundekot und tote Kälber – unsinnige Panikmache der Bauernverbände oder bitterer Ernst: was ist dran an der Geschichte, dass Hundekot ursächlich sein soll für das Sterben unzähliger Kälber? Hundehalter können aufatmen: sie und ihre Hunde tragen nicht die Verantwortung für die Verbreitung eines gefürchteten Parasiten.

(K)ein klarer Fall

Neospora caninum, ein einzelliger Parasit, welcher Ursache für eine hohe Abortrate und Kälbersterblichkeit in Landwirtschaftlichen Betrieben ist, soll nach Aussagen von Landwirten und Bauernverband durch Hundekot auf Kühe übertragen werden. Was für Landwirte ein „klarer Fall” ist, nämlich dass die Hunde von Spaziergängern den Parasiten verbreiten, entbehrt allerdings der fachlichen Grundlage.

Neospora caninum wurde zuerst im Gehirn eines Hundes nachgewiesen. Er befällt Rinder und andere Tiere wie z.B. Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und Rehwild, die ihm als Zwischenwirt dienen. Eine Infektion von Kühen mit Neospora caninum kann unter anderem zu Fehl- und Frühgeburten und einer hohen Kälbersterblichkeit führen und verursacht teils schwere Ausfälle bei Rinderzüchtern. Ein Schuldiger für die Erkrankung der Rinder und die hohe Infektionsrate war von den Bauern schnell gefunden: der Haushund der Spaziergänger, welcher keine Scheu hat, seinen Haufen mitten auf ein Feld oder eine Weide zu machen.

Infektion über Kot wissenschaftlich nicht belegt

Hunde dienen dem Parasiten als Zwischenwirt und Endwirt; als einziger bekannter Endwirt kann der Hund also Neospora caninum ausscheiden. Theoretisch könnte er damit als Infektionsquelle in Frage kommen, wenn z.B. Kühe mit Hundekot kontaminiertes Futter fressen. Der Nachweis, dass der Hund den Erreger ausscheidet, konnte bisher nur bei experimentell infizierten, nicht jedoch bei natürlich infizierten Hunden, geführt werden.

Die Infektion der Kühe jedoch erfolgt nachgewiesener Weise nicht über Hundekot, sondern sie erfolgt in erster Linie von der Kuh auf ihr Kalb. Eine weitere Möglichkeit der Übertragung besteht, wenn eine Kuh die Nachgeburt oder Abortmaterial einer anderen, infizierten Kuh beleckt oder frisst. Genau so kommt es auch zur Infektion des Hundes: der Hund frisst Abortmaterial, die Nachgeburt, infiziertes Gewebe oder Innereien einer Kuh (oder eines infizierten Schweins, Rehs etc…). Eine andere Möglichkeit, wie Hunde mit dem Parasiten infiziert werden können, ist – wie beim Rind – die Übertragung von der Hündin auf ihre ungeborenen Welpen. Weitere Infektionsmöglichkeiten z.B. über Kot sind wissenschaftlich nicht belegt.

Direkte Übertragung von Hund auf Kalb

Die direkte Übertragung von Rind auf Hund erfolgt beim Landwirt, dessen Hofhund sich über die Nachgeburt von Kühen hermacht oder mit Gewebe oder rohen Innereien von geschlachteten Tieren gefüttert wird. Eine andere Risikogruppe sind Jagdhunde, die z.B. mit Gewebe oder Innereien von infiziertem Wild gefüttert werden – wohingegen die Hunde von Spaziergängern üblicher Weise mit Fertigfutter oder Gekochtem ernährt werden, womit für diese die Übertragung ausgeschlossen ist. Wenn also Hunde überhaupt zur Verbreitung von Neospora caninum beitragen, dann sind es nicht die der Spaziergänger, sondern vor allem die der Bauern selbst. Und: erst einmal muss ein Hund von einer Kuh infiziert werden, nur dann besteht die Möglichkeit, dass der Hund Erreger ausscheidet, die wiederum Kühe infizieren könnten.

Zucht mit infizierten Kühen einstellen

Während die Landwirt*innen gegen Spaziergänger*innen, Hunde und Hundehaufen ihre Hetzkampagne fahren und in manchen Regionen sogar Ersatzzahlungen aus Hundesteuereinnahmen fordern, geht das Sterben der Kälber in ihren Ställen weiter. Die einzige Möglichkeit wäre – neben der Sorge für einer bessere Allgemeingesundheit der Rinder, denn Erkrankungen treten vor allem bei immungeschwächten Tieren auf – konsequent die Zucht mit Neospora caninum positiven Kühen sofort einzustellen, um eine weitere Verbreitung von Kuh auf Kalb und dessen Nachkommen zu verhindern. Dies jedoch wird aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht praktiziert: der Verlust der Zucht- und Milchkühe wäre finanziell weitaus dramatischer für die Landwirt*innen als der durch Aborte und Kälbersterben verursachte ist.

Infizierte Kühe müssen nicht zwangsläufig erkranken, sondern können auch lebenslang klinisch unauffällig und gesund sein. Sie geben jedoch Neospora caninum wahrscheinlich an 90 % ihrer Nachkommen weiter. Auch wenn kein einziger Hund und somit keine Hundehaufen mehr existieren würden, würde dies an der hohen Infektionsrate der Kühe nichts ändern, da der Parasit den Endwirt Hund für seine Verbreitung nicht benötigt.

Neben dem gehäuften Auftreten von Aborten und hoher Jungtiersterblichkeit äußert sich die Neosporose durch Entzündungsreaktionen im Gehirn, hervorgerufen durch starke Parasitenvermehrung mit folgenden Ausfallerscheinungen, oft Muskelschwäche, wobei hier meist die Hinterhand am stärksten betroffen ist. Andere Krankheitsanzeichen können Fieber, Atembeschwerden oder Zittern sein. Der sichere Nachweis von Neospora caninum erfolgt mittels serologischer Antikörperbestimmung. Eine Behandlung betroffener Tiere ist möglich, jedoch gibt es zur Zeit kein Medikament, womit man den Parasiten gänzlich bekämpfen kann. In der Landwirtschaft wird stellenweise ein neu entwickelter Impfstoff eingesetzt, welcher jedoch nur in der Lage ist, die Abort- und Kälbersterblichkeitsrate um etwa 50 % zu senken, das Problem der Übertragung von Kuh auf Kalb und dessen Nachkommen aber auch nicht zu lösen vermag.

Solange Bäuer*innen und ihre Verbände weiterhin die Hunde als angeblichen Verursacher brandmarken, nehmen sie Leid und Tod ihrer Kühe skrupellos in Kauf. Statt konsequent die Zucht mit Neospora caninum positiven Kühen einzustellen, geben die Bauernverbände weiterhin Anti-Hunde-Parolen heraus, um den Bauern die damit verbundenen Verluste der Zucht- und Milchkühe zu ersparen. Sie sind damit verantwortlich für einen flächendeckenden Befall der Kühe mit dem tödlichen Parasiten.

Quellen:

Stand: 08/2019 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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