Hühnermast
Vogelgrippe

Regelmäßig alle paar Jahre fallen Millionen Vögel der Vogelgrippe zum Opfer. Verantwortlich dafür ist die kommerzielle Tierhaltung selbst.

Pulverfass Tierindustrie: Die Vogelgrippe-Viren kommen aus dem Stall

Nach 2009, 2014 und 2016 grassiert auch seit den Wintermonaten 2020/2021 erneut die Vogelgrippe in Deutschland. In zahlreichen Bundesländern wurde eine Stallpflicht für Vögel angeordnet. Mehr als 1,8 Millionen meist gesunde Tiere wurden bereits getötet – ein neuer Rekord. Die Branche diskutiert bereits öffentlich, bald gesunde gesunde Putenküken zu töten, da wegen der Krankheit viele Mastställe leer bleiben müssen und die Tiere aus den Brütereien nicht abgenommen werden können.

Das zuständige Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Friedrich-Löffler-Institut) geht davon aus, dass Wildvögel das Virus von Asien nach Europa transportieren und hier verbreiten. Diese Theorie wird in Fachkreisen jedoch zunehmend infrage gestellt, da sie erhebliche Lücken aufweist und mit den derzeitigen Befunden nicht vereinbar ist. Die sehr viel wahrscheinlichere Ursache für die regelmäßigen Vogelgrippe-Epidemien ist die kommerzielle Tierhaltung selbst.

Zweifelhafte Theorie befördert Ausbreitung

Das Friedrich-Löffler-Institut setzt auf die Theorie, dass Wildvögel als Krankheits-Überträger das Virus von Asien nach Europa und innerhalb Europas verbreiten. Diese Theorie wird von unabhängigen Experten jedoch als wenig plausibel eingestuft. Denn sie kann die Verbreitungswege der Vogelgrippe nicht eindeutig erklären. Spätestens für den Eintrag der Erreger in geschlossene Ställe muss es andere Übertragungswege geben.

Sicher ist, dass die Vogelgrippe unter Wildvögeln schon immer vorkommt. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass die hochpathogenen, tödlichen Keime erst in den industriellen Vogelställen entstehen. Aus diesen Ställen, in denen zehntausende Vögel, dicht gedrängt auf engstem Raum, auf ihren eigenen Exkrementen stehen, gelangt das Virus – trotz erhöhter Hygienestandards, trotz Stallpflicht und der Massentötung ganzer Herden, trotz des Verbots der Ausbringung von Kot – wieder ins Freie, wo seiner weiteren Verbreitung durch Kot auf den Feldern sowie durch Transporte von Tieren, Futter, Einstreu und Abfall Tür und Tor geöffnet ist. Der internationale Handel mit Geflügel und Geflügelprodukten erhöht das Risiko, dass sich die Krankheitserreger global ausbreiten.

Opfer der Vogelgrippe 2020/21 (unvollständig)

Opfer der Vogelgrippe 2016/17 (unvollständig)

  • Geiselhöring (LK Straubing-Bogen, 13.02.2017): 10.000 Puten
  • Kyritz, Ganz (LK Ostprignitz-Ruppin, 11.01.2017): 11.000 Puten
  • Alt Zauche (LK Dahme-Spreewald, 19.01.2017): 45.000 Puten
  • Neuhardenberg (LK Märkisch-Oderland, 27.01.2017): 27.000 Enten
  • Alt Tucheband (LK Märkisch Oderland, 07.02.2017): 22.000 Puten

 

Gefahr von Zoonosen steigt

Mit der weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe steigt auch die Gefahr von Zoonosen, also der Krankheitsübertragung von Tieren auf Menschen. Erste Fälle wurden im Februar 2021 bereits nachgewiesen. Besonders gefährdet sind zudem Wildvögel, darunter auch seltene Arten. Solange die tatsächlichen Ursachen und Übertragungswege nicht detailliert erforscht werden, einschließlich der Schlüsselrolle der industriellen Tierhaltungen, bleiben die Risiken bestehen und die Behörden reine Verwalter der Epidemie.

Selbst dann aber werden zwangsläufig Schutzlücken bestehen bleiben. Aufgrund der mehrtägigen Inkubationszeit bleibt etwa eine Infektion mit hochpathogenen Viren unentdeckt, wenn sie eine Herde erst kurz vor dem Ende der Mastperiode befällt. Die infizierten Tiere landen unerkannt im Schlachthof und in den Tiefkühltruhen, ihr Kot landet mitsamt den pathogenen Keimen auf den Feldern, von wo sich die Viren weiter durch Wildvögel verbreiten oder über das dort angebaute Futter im nächsten Stall landen. Angesichts der kurzen, nur etwa 30-tägigen Mastperiode von Hühnern und einer Inkubationszeit von zwei Tagen bleibt rechnerisch jeder fünfzehnte Fall von Vogelgrippe unentdeckt.

Verbreitung kann nicht effektiv gestoppt werden

Ebenso kann beim Befall einer Elterntierhaltung die anschließende Verbreitung durch „Eintagsküken”, die zu Tierfutter verarbeitet oder direkt an andere Tiere verfüttert werden, nicht mehr effektiv verhindert werden. So gibt es Hinweise darauf, dass der Ausbruch der Vogelgrippe in Israel im Herbst 2016 auf den Export deutscher „Eintagsküken” zurückzuführen sein könnte. Und selbst die direkte Übertragung auf Menschen durch rohe Eier oder Rohwurst aus Geflügelfleisch hält das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für denkbar, auch wenn es dafür bisher keine belegten Fälle gibt.

Aufgrund der Unwissenheit über die Verbreitungswege können die Behörden keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das Problem zu lösen. Ihre Hauptaufgabe ist im Augenblick das Management der Epidemie. Die Tötung von gesunden oder mit geringpathogenen Viren infizierten Tieren stellt dabei blinden Aktionismus dar, der ausschließlich ökonomisch motiviert ist: Einfuhrverbote für deutsches Geflügel in andere Länder sollen verhindert und die Konsument*innen beruhigt werden. Ein Stopp von Epidemien aus der Tierhaltung und der Schutz von Mensch und Tier können unter Beibehaltung der kommerziellen Tierhaltung schlicht nicht gewährleistet werden. Das Pulverfass Tierindustrie lässt sich nur entschärfen, indem es stillgelegt wird.

Stand: 03/2021 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V. und Land der Tiere

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