Todeskampf im Kohlendioxid

Schweine brutal mit CO₂ in „Tierwohl“-Schlachtbetrieb gequält

21. August 2024, Landkreis Vechta, Niedersachsen

Plusminus berichtetet mit Videomaterial von ARIWA

Schweine werden in eine Metallgondel hineingetrieben und wie in einem Aufzug einen dunklen Schacht hinuntergefahren. Wenige Sekunden später treten die Tiere in eine hochkonzentrierte CO₂-Atmosphäre ein. Der abrupt eintretende Sauerstoffentzug löst Panik unter den Tieren aus, wenige Sekunden später folgt die reizende, äußerst schmerzhafte Wirkung des CO₂-Gases auf die Schleimhäute der Schweine. Sie beginnen zu schreien, sind verzweifelt , verängstigt und versuchen ihre Nasen durch die Gondelwand zu strecken, um an Sauerstoff zu gelangen. Sie trampeln übereinander, verletzen sich gegenseitig und versuchen vergebens, der tödlichen Situation zu entkommen. Blutverschmierte Gondeln zeugen davon, wie die Schweine mit voller Wucht gegen die Metallgitterstäbe rennen und sich dabei stark verletzen. Was kaum zu glauben ist, zeigen Aufnahmen aus einer CO₂-Betäubungsanlage, die über mehrere Tage entstanden sind und ARIWA vorliegen. Sie stammen aus einem Schlachtbetrieb aus dem Landkreis Vechta, in Niedersachsen.

„Aus tiermedizinischer Sicht besteht kein Zweifel daran, dass die Schmerzen, Leiden und Schäden, die den Tieren durch die CO2-Betäubung in einem Paternoster-System zugefügt werden, anhaltend und schwerwiegend sind. Eine gesetzlich geforderte Schmerz- und Leidensfreiheit, während der CO2-Gas-Betäubung kann augenscheinlich nicht gewährleistet werden. Eine Methode, die so fehleranfällig ist bzw. so wenig zuverlässig im Sinne des Tierschutzes ist, dürfte nicht etabliert sein. Die Berücksichtigung der individuellen Narkosefähigkeit kann bei dieser Methode ebenfalls nicht erfolgen. Damit entspricht diese Betäubungsmethode insgesamt nicht den gesetzlichen Anforderungen und verstößt darüber hinaus gegen ethische Grundprinzipien“ – Dr. Claudia Preuß-Überscher, Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft (TfvL) [4]

Schmerzen, Angst und Panik: Tierquälerei im „Tierwohl“-Schlachtbetrieb

Der überwiegende Anteil aller Schweine weltweit wird kurz vor ihrer Tötung mit Kohlendioxid „betäubt“. In Deutschland sind das mehr als 30 Millionen Schweine jedes Jahr. Doch nicht nur die großen Schlachtbetriebe wie Tönnies oder Vion wählen die tierschutzwidrige Betäubungsmethode, sondern auch mittelständische Betriebe wie das Schlachthaus im Landkreis Vechta. Auf der Homepage des Schlachthofs heißt es, dass Tierwohl an erster Stelle stehe und das Tierschutz und Tierwohl oberste Priorität hätten. Der Seniorchef des Betriebs ist Mitgründer des sogenannten „Tierwohl“-Labels „Offenstallhaltung“ – ein Label innerhalb der Haltungsform 4.

Die Aufnahmen zeigen, wie Mitarbeiter*innen Schweinen immer wieder mit den Treibpaddeln auf den Kopf schlagen. Eine Szene zeigt ein Schwein, dass beim Zutrieb in die die CO2-Gondel von der automatischen Schiebetür eingeklemmt wird und dabei laut schreit. Erst nach einigen Sekunden gelingt es dem Tier sich zu befreien. Auf der Betriebs-Homepage schreibt das Schlachtunternehmen, dass die Tiere schonend und in ruhiger Atmosphäre an die Betäubungsanlage geführt werden würden. Die Gruppeneinteilung erfolgt zum Zeitpunkt der Aufnahmen jedoch chaotisch und desorientiert. An dem Bereich, an dem die Schweine aus den Gondeln auf das Fließband fallen, entstehen immer wieder stauartige Zustände. Aus diesem Grund bleibt die Betäubungsanlage mehrfach stehen, wodurch die Schweine deutlich länger in der Kohlendioxid-Anlage verbleiben. Einige Studien weisen darauf hin, dass Schweine in einer 90-prozentigen CO2-Atmophäre nach mehreren Minuten tot sind – sie werden dann nicht betäubt, sondern bereits getötet [1]. Es ist nicht auszuschließen, dass auch in dem Schlachtbetrieb im Landkreis Vechta, Schweine demnach durch Ersticken getötet wurden und tot aus der Betäubungsanlage kamen [2]. In einer weiteren Szene fällt ein Schwein vom Band herunter und wird über mehrere Minuten auf dem Boden liegen gelassen, ohne Kontrolle seines Betäubungszustandes.

Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt in einem wissenschaftlichen Gutachten, dass der „Mangel an Kompetenzen und/oder Ausbildung des Personals in Schlachteinrichtungen ein ernstes Tierschutzproblem darstellt“ [2]. Die EFSA kam im selben Gutachten außerdem zu dem Schluss, dass die Betäubung mit Kohlendioxid bei Schweinen […] abgeschafft werden muss. Die Betäubung mit Kohlendioxid wurde im Jahr 2009 trotz der Bedenken der EFSA von der EU-Kommission zugelassen: „Es ist unangemessen, ein Tier bei vollem Bewusstsein einer bekannt schädlichen gasförmigen Umgebung auszusetzen, aus der es nicht entkommen kann“ [3]. Dass sowohl die Betäubung mit Kohlendioxid tierschutzwidrig ist, aber auch die Prozesse rund um die Tötung ein höchst tierschutzrelevantes Systemproblem sind, bestätigen die Aufnahmen, die ARIWA vorliegen.

[1] Tierärztliche Hochschule Hannover (2001): Gasmessungen bei der Kohlendioxidbetäubung von Schweinen in einem ausgewählten Schlachtbetrieb. Online abgerufen am 12.8.24: https://elib.tiho-hannover.de/dissertations/remiend_2001

[2] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA (2020): Schweine bei der Schlachtung: Tierschutzmaßnahmen. Online abgerufen am 12.8.24: https://www.efsa.europa.eu/de/news/pigs-slaughter-measures-address-welfare-concerns

[3] Eurogroup For Animals (2020): EFSA (finally) affirms that CO2 stunning is incompatible with pig welfare at slaughter. Online abgerufen am 12.8.24: https://www.eurogroupforanimals.org/news/efsa-finally-affirms-co2-stunning-incompatible-pig-welfare-slaughter

[4] Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. (2024): Rechtsrahmen und Kurzdarstellung der CO2-Betäubung; Beurteilung des von Animal Rights Watch zur Verfügung gestellten Videomaterials: http://www.tfvl.de/bewertung-und-einordnung-der-ariwa-aufnahmen-zur-co2-gas-betaeubung/

Text: Animal Rights Watch e.V. | Bilder: Animal Rights Watch e.V.

aktiv fuer tierrechte