
Tierwohl
Tierwohllabels sollen „höhere Tierschutzstandards ausloben”. Ziel ist es „tierfreundliches Fleisch” anzubieten und „Tierschutzstandards über das gesetzliche Niveau zu heben”. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Labels vor allem helfen sollen, die Ausbeutung von Tieren weiterhin zu sichern. Denn selbst wenn eine höhere Stufe gewählt wird, ändert sich nichts an den grundlegenden Missständen der Tierhaltung.
Tierwohllabels
Die Illusion von Transparenz und höheren Standards
Tierwohllabel erwecken den Eindruck, dass eine höhere Stufe den Tieren zugutekommt, doch in Wirklichkeit bleibt Tierleid in allen Stufen bestehen. Die Vorgaben liegen meist nur knapp über den gesetzlichen Mindeststandards. Wer glaubt, mit dem Kauf von „besserem“ Fleisch Tierleid zu verhindern, tappt in die Falle einer gut durchdachten Marketingstrategie.
Offiziell sollen die Label Verbraucher*innen Orientierung über die Haltungsbedingungen bieten. Doch statt echte Transparenz zu schaffen, dienen sie vor allem dazu, das Gewissens zu beruhigen – und verschleiern weiterhin das immense Leid in der industriellen Tierhaltung.
Statt auf scheinbare Verbesserungen zu setzen, braucht es einen grundlegenden Wandel – weg von der Ausbeutung und Tötung von Tieren hin zu einer tierfreien, bio-veganen Landwirtschaft.
Haltungsform
Seit 2019 kennzeichnet das Label „Haltungsform“ Fleischprodukte im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Es handelt sich um eine Initiative der Supermarktketten und Discountern. Das „Haltungsform“-Label ist kein staatlich kontrolliertes System, sondern eine freiwillige Maßnahme des Handels.
Anfangs bestand das System aus vier Stufen, die sich an gesetzlichen Mindeststandards und zusätzlichen Kriterien orientierten. Seit 2024 gibt es eine fünfte Stufe, die Produkte aus ökologischer Haltung als höchste Kategorie ausweist. Doch egal ob Stufe 1 oder Stufe 5: Die Tiere leben in Haltungssystemen, die ihre arteigenen Bedürfnisse missachten. Sie leiden unter Stress, Krankheiten und Verletzungen. Am Ende ihres kurzen Lebens erwartet sie alle das brutale Schicksal im Schlachthof.
Die Haltungsform sortiert verschiedene kleinere und größere Tierwohl-Siegel in das mehrstufige System und schafft damit eine Struktur, in der die Siegel nach bestimmten Kriterien eingestuft werden. Sie werden in das Haltungsform-System integriert, ohne dass die einzelnen Siegel vollständig vereinheitlicht oder harmonisiert werden müssen.
Das Label umfasst verschiedene Tierarten, darunter Rinder in der Milchproduktion sowie Schweine, Hühner, Puten, Enten und Kaninchen, die zur Mast gehalten werden.
Bei Mastschweinen unterscheiden sich die Stufen vor allem im Platzangebot, den Beschäftigungsmöglichkeiten und der Art der Unterbringung. Doch wer genau hinsieht, erkennt:
Die Unterschiede zwischen den Stufen sind gering. Mit höheren Stufen vergrößert sich graduell das Platzangebot. Mehr Platz bedeutet nicht automatisch eine bessere Haltung – selbst in höheren Stufen bleibt die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Soziale Interaktionen werden beeinträchtigt, Erkundungsverhalten wird behindert. Das kann schädliche Verhaltensweisen wie Aggressionen und Schwanzbeißen fördern. Die fünf Stufen beruhen auf dem Grundprinzip der Stallhaltung. In Stufe 3 erhalten die Schweine zumindest Außenklimareize – entweder durch einen Offenfrontstall oder durch einen ständigen Zugang zu einem Außenbereich. Erst ab Stufe 4 ist die Freilandhaltung möglich, muss aber nicht zwingend umgesetzt werden.
Obwohl in allen Haltungsstufen Beschäftigungsmaterialien wie Stroh oder vergleichbare Substrate vorgeschrieben sind, bleibt deren Menge und Qualität oft unzureichend. Ein bisschen Stroh reicht nicht aus, um die natürlichen Bedürfnisse der Tiere zu erfüllen. Der Mangel führt zu Stress, Aggressionen und Verhaltensstörungen. In Stufe 5 muss Wühlmaterial im Auslauf angeboten werden. Aber das Fehlen natürlicher Böden in Haltungen ohne Weidezugang macht es Schweinen unmöglich, ihr arteigenes Wühlverhalten auszuleben. Selbst in höheren Haltungsstufen sind Spaltenböden erlaubt, obwohl sie nachweislich Atemwegserkrankungen, Lahmheiten, schmerzhafte Klauenveränderungen und vergrößerte oder entzündete Schleimbeutel begünstigen.
Die Realität hinter den Labels
Die Recherchen von Undercover-Filmteams belegen erhebliche Missstände in Schweinemastbetrieben mit Tierwohllabel. Die Aufnahmen zeigen massive hygienische Probleme in den Haltungssystemen. In den extrem verschmutzten Buchten stauen sich die Exkremente teils mehrere Zentimeter hoch auf dem Boden. Das Exkremente-Gemisch erstreckt sich über große Flächen der Buchten oder des Auslaufs, was auf eine mangelnde Reinigung und unzureichende Entmistung hinweist. Hygiene? Fehlanzeige. Statt die Tiere zu ihrem natürlichen Verhalten zu ermutigen, ist der Auslauf meist ein verdrecktes Areal, das seinen Zweck – Bewegung und Erkundung – nicht im Geringsten erfüllt. Die Tiere sind oft selbst mit Kot verdreckt, was auf eine schlechte Hygiene und damit verbundene gesundheitliche Risiken hinweist.
Die dokumentierten Schweine litten unter Schwanzverletzungen. Schwanzbeißen stellt eine ernstzunehmende Verhaltensstörung dar, die die Tiere erheblich belastet. Weitere dokumentierte Gesundheitsstörungen sind Lahmheiten, Entzündungen, Abszesse und große Wunden. Die Veränderungen waren überwiegend so weit fortgeschritten, dass auf eine unzureichende medizinische Versorgung zu schließen ist. In einem besonders drastischen Fall dokumentierten die Aufnahmen ein Schwein, das aufgrund schwerwiegender körperlicher Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage war, sich eigenständig zu bewegen. Ein klarer Hinweis auf eine schwere Erkrankung oder Verletzung, die dringend tierärztliche Versorgung erfordert. Die starke Verschmutzung des Tieres weist darauf hin, dass ihm zudem die notwendige, regelmäßige hygienische Pflege und medizinische Versorgung verwehrt wurde. Zusätzlich wird das wehrlose Schwein von Anderen angegriffen und dominiert, zum Beispiel durch das Besteigen durch Artgenossen. Es kann sich weder schützen noch in Sicherheit bringen. Die Aufnahmen zeigen, dass dies den Besitzer des Stalls nicht interessiert.
Die Aufnahmen zeigen unvorstellbare Grausamkeit: Der gewaltvolle Umgang mit den Schweinen. Das Schlagen von Schweinen beim Umstallen verursacht Schmerzen, Stress und Belastungen bei den Tieren. Besonders erschreckend ist, dass ein erkranktes Schwein, das nicht mehr in der Lage ist, auf allen vier Gliedmaßen zu stehen und zu gehen, geschlagen wird. Dieses Tier wird in seiner ohnehin schon geschwächten und leidenden Verfassung noch weiter gequält.
Die dokumentierten Missstände spiegeln eine insgesamt sehr schlechte Lebensqualität der Tiere wider, die sowohl körperliche Schmerzen als auch erhebliche Einschränkungen ihrer Verhaltensbedürfnisse und ihres Wohlbefindens erleben. Solche Bedingungen sind untragbar für jedes Tier, das unter diesen Umständen gehalten wird.
Warum Tierwohllabel keine Lösung sind
Tierwohllabel sollen Verbraucher*innen suggerieren, sie könnten durch ihre Kaufentscheidung das Leid der Tiere verringern. Diese individualisierte Verantwortung lenkt jedoch von der eigentlichen Problematik ab: der systematischen Nutzung und Tötung von Tieren in der industriellen Landwirtschaft. Labels ändern nichts daran, dass fühlende Lebewesen als Ware betrachtet und auf maximale Effizienz getrimmt werden.
- Auch eine wissenschaftliche Stellungnahme von Expertise for Animals zeigt, warum die Haltungsform-Kennzeichnung Schweinen nicht gerecht wird.
Was als „Transparenz“ verkauft wird, ist nichts weiter als eine Illusion. Sie sorgen für ein gutes Gewissen und verschleiern das Ausmaß des Leids. Verbraucher*innen werden ermutigt, sich zwischen verschiedenen Haltungsformen zu entscheiden, doch die Unterschiede sind oft marginal. Auch in den höchsten Label-Stufen bleibt das Leid der Tiere immens. Selbst wenn manche Tiere unter besseren Bedingungen gehalten werden, endet ihr Leben dennoch frühzeitig und gewaltsam im Schlachthof.
Tierwohllabel sind ein Instrument der Industrie, um ihre Produkte moralisch aufzuwerten und politisches Handeln zu umgehen. Denn die Einführung von Labels ersetzt oft politische Maßnahmen zur Abschaffung von Missständen oder zögert sie hinaus. Während die Öffentlichkeit über Haltungsstufen diskutiert, bleiben grundlegende Missstände über Jahrzehnte bestehen.
Die Lebensrealitäten der Tiere in den Haltungsformen
Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.
