Kadavertonne
Tierkörperbeseitigung

Millionen Tiere sterben jedes Jahr noch in den Mast- und Zuchtanlagen. Ihre toten Körper enden in der Tierkörperbeseitigung. Wird deren Überwachung etwas am Tierleid ändern?

Überwachung der Tierkörperbeseitigungsanlagen – was bringt das neue Gesetz?

Hinter den Mauern der Tierindustrie leiden und sterben weit mehr Tiere, als die offiziellen Statistiken erkennen lassen. Ihre toten Körper enden in der Tierkörperbeseitigung. Im März 2021 hat das BMEL einen Gesetzesenwurf zur Änderung des Tierschutzgesetz vorgelegt, der ermöglichen soll, dass Veterinärbehörden nun auch die Tierkörperbeseitigungsanlagen überwachen können. Doch das versteckte Tierleid wird mit dieser Gesetzesänderung nicht ans Licht kommen.

16. März 2021

Hintergrund

Viele Millionen sogenannter „Nutztiere“ sterben in Deutschland lange vor der Schlachtung. 2017 zeigte eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover erstmals, dass in deutschen Zucht- und Mastanlagen jährlich mehr als 20 Prozent aller Schweine (13,6 Millionen Tiere) sterben. Das genaue Ausmaß ist jedoch nicht bekannt, da bisher eine systematische Erhebung der Anzahl der Tiere, die jährlich in Tierkörperbeseitigungsanlagen entsorgt werden, nicht erfolgt. Lediglich die Anzahl verendeter Rinder wird statistisch erhoben.

Auch prüft bisher niemand, aus welchen Betrieben diese Tiere stammen, welches Leid sie dort erfahren haben und was letztlich zu ihrem Tod geführt hat. Hier weist die Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover darauf hin, dass 13,2 % der Mastschweine und 11,6 % der Zuchtschweine tierschutzrelevante Krankheitsanzeichen und Verletzungen zeigen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie zu länger anhaltenden erheblichen Schmerzen und Leiden des betroffenen Tieres geführt haben. Viele Schweine werden der Studie zufolge auf grausame Weise getötet: Bei 61,8 % der Tiere kann bei der Tötung von einem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz ausgegangen werden. Wenn diese Zahlen repräsentativ sind, muss davon ausgegangen werden, dass systematische Tierquälerei in vielen Betrieben an der Tagesordnung ist. All dies verschwindet in den Tierkörperbeseitigungsanlagen wie in einem schwarzen Loch.

2020 haben wir deshalb mit einer Petition an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine umfassende Dokumentationspflicht und regelmäßige, öffentliche Kontrolle von Tierkörperbeseitigungsanlagen gefordert (Wortlaut siehe im Petitionsformular). Die Ergebnisse dieser Überwachung könnten eine ehrlichere und seriösere Grundlage für die öffentliche Debatte darüber schaffen, welches Tierleid unsere Gesellschaft mit ihrem Konsum tatsächlich verursacht.

Ungeeignete Gesetzesänderung

Am 10. März 2021 wurde ein Änderung des Tierschutzgesetzes vorgelegt, mit der eine Überwachung von Tierkörperbeseitigungsanlagen grundsätzlich ermöglicht werden soll. Doch das neue Gesetz erfüllt nicht annähernd den Zweck, das große Sterben der Tiere in deutschen Zucht- und Mastanlagen transparent zu machen. Dazu müsste mindestens das Folgende gewährleistet sein:

Das Gesetz sieht Kontrollmöglichkeiten in Tierkörperbeseitigungsanlagen nur für Schweine und Rinder vor. Wie viele Millionen Hühner, Puten, Schafe, Ziegen, Kaninchen, Pferde und andere Tiere in den Anlagen landen und woran sie sterben, bliebe damit weiter im Dunkeln.

Das Gesetz verpflichtet die Behörden nicht dazu, Kontrollen vorzunehmen, schon gar nicht regelmäßig. Damit ist absehbar, dass Kontrollen in Tierkörperbeseitigungsanlagen bestenfalls vereinzelt stattfinden werden, um bestehenden Verdachtsfällen nachzugehen. Der eigentliche Zweck des Gesetzes, durch regelmäßige verdachtsunabhängige Untersuchungen Transparenz bezüglich der Anzahl der gestorbenen Tiere und ihrer Todesursachen zu schaffen, wird dadurch unterlaufen.

Nur eine Offenlegung des gesamten bisher unsichtbaren Tierleids ermöglicht eine ehrliche gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit sogenannten „Nutztieren“. Daher sind nicht nur verpflichtende Kontrollen in Tierkörperbeseitigungsanlagen unabdingbar, sondern auch eine regelmäßige Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Überwachung. Das Gesetz sieht keines von beidem vor.

Zu niedrige Fallzahlen

Auffällig ist auch, dass in der Begründung für die Gesetzesänderung von viel niedrigeren Fallzahlen ausgegangen wird, als die Studie der TiHo Hannover annimmt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium geht davon aus, dass jedes Jahr 6,7 Millionen Ferkel und 1,6 Millionen Schweine in den Mast- und Zuchtanlagen sterben und getötet werden. Die TiHo Hannover geht von insgesamt 13,6 Millionen Ferkeln und Schweinen aus.

Unsere Erwartungen

Zwar wird angenommen, dass jede Tierkörperbeseitigungsanlage einmal im Monat überprüft wird, gesetzlich vorgeschrieben wird es jedoch nicht. Ob die schon jetzt chronisch überlasteten Veterinärbehörden überhaupt in der Lage sind, Tierkörperbeseitigungsanlagen regelmäßig zu überprüfen, ist durchaus fraglich. Viel unwahrscheinlicher ist aber, dass die Veterinärbehörden ohne jede Verpflichtung aus eigenem Antrieb heraus solche Kontrollen vornehmen werden. Neben Zeitmangel sind nämlich auch die üblichen Interessenkonflikte zu erwarten: Ein Veterinäramt, das in einer Tierkörperbeseitigungsanlage regelmäßig Hinweise auf Tierquälerei feststellt, müsste sich die Frage gefallen lassen, wieso es diese Tierquälerei nicht schon bei der Überwachung der betreffenden Tierfabriken festgestellt hat.

Hinzu kommt, dass das Gesetz den Tierkörperbeseitigungsanlagen die Möglichkeit einräumt, für Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs eine finanzielle Entschädigung von den Veterinärämtern zu fordern. Damit dürfte die Motivation der Behörden vollends gegen Null gehen. Die Gesetzesänderung ist also ein Muster ohne Wert.

Die Offenlegung des alltäglichen, millionenfachen Tierleids kann ohnehin nur ein erster Schritt sein, um das grundlegende Unrecht an den Tieren zu beenden. Und niemand muss auf diesen Schritt warten, um selbst aktiv zu werden: durch die Umstellung auf ein tierfreundliches veganes Leben, durch die Verbreitung der veganen Lebensweise und das Hinarbeiten auf ein Ende jeglicher Tiernutzung anstelle nutzloser Reformen.

Stand: 03/2021 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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