Vogelgrippe – ökonomische Interessen stehen über Tier- und Menschenschutz

Nach 2014 und 2016 grassiert in Deutschland erneut die Vogelgrippe. In zahlreichen Landkreisen wurde bereits die Stallpflicht für Vögel angeordnet. Die Tötung vieler tausend, meist gesunder Tiere hat begonnen. Diese Massentötungen erfolgen aus rein ökonomischen Gründen und zeugen einerseits von großer Hilfslosigkeit, andererseits von fehlender Achtung vor dem Leben. Dass die kommerzielle Tierhaltung sehr wahrscheinlich selbst eine Ursache für die regelmäßigen Vogelgrippe-Epidemien und die Gefährdung von Mensch und Tier ist, wird außer Acht gelassen.

19. November 2020

In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Tötung zehntausender Hühner und Puten nach Infizierung mit dem Vogelgrippe-Virus H5N8 angeordnet, unter anderem auch im Bio-Legehennenbetrieb Gut Eschenhörn in Gnoien. Der Betrieb gehört zur Erzeugergemeinschaft Fürstenhof, einem der größten Bio-Eier-Produzenten Deutschlands. Nach aktuellen Verlautbarungen sollen nun 67.000 Hennen in diesem und einem Nachbarunternehmen getötet werden.

Dass so viele Tiere betroffen sind, liegt auch an der laxen Umsetzung der rechtlichen Vorgaben für die Maximalbetriebsgröße. Laut EG-Öko-Verordnung dürfen Bio-Hennenställe maximal 3.000 Tiere fassen. In der Praxis werden jedoch riesige Hallen einfach in mehrere Stallabteile mit je 3.000 Tieren unterteilt – ohne vollständige Trennung oder gar Abdichtung. Statt 3.000 Tiere in einem Abteil werden deshalb nun die Hennen in allen Abteilen einer Halle getötet. Die Tötung von gesunden Tieren stellt dabei blinden Aktionismus dar, der ausschließlich ökonomisch motiviert ist: Einfuhrverbote für deutsches Geflügel in andere Länder soll verhindert und die Konsument*innen sollen beruhigt werden. Die Ausdehnung der Keulungen auf mehrere Hallen oder Standorte eines Betriebs ist völlig absurd und zeugt von völliger Hilfslosigkeit und fehlender Achtung vor dem Leben.

System Tierindustrie ist Ursache für Epidemien

ARIWA veröffentlichte 2012 Foto- und Videomaterial aus Gut Eschenhörn in Gnoien. Die schlimmen Bilder von gestressten, mit Parasiten befallenen, kranken, halbnackten und sterbenden Hennen auf engstem Raum machen schnell klar, dass die Betriebe selbst einen willkommenen Nährboden für alle möglichen Krankheiten darstellen. Die typischen Haltungsbedingungen schwächen die Tiere so sehr, dass sie einer Viruserkrankung nichts entgegensetzen können.

Da ist es kein Wunder, dass die hochpathogenen, tödlichen Keime erst in den industriellen Vogelställen selbst entstehen. Aus diesen Anlagen gelangt das Virus – trotz erhöhter Hygienestandards, trotz Stallpflicht und der Tötung ganzer Herden, trotz des Verbots der Ausbringung von Kot – wieder ins Freie, wo seiner weiteren Verbreitung durch Kot auf den Feldern sowie durch Transporte von Tieren, Futter, Einstreu und Abfall Tür und Tor geöffnet ist. Da die genauen Verbreitungswege gar nicht bekannt sind, können die Behörden keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das Problem zu lösen. Deshalb konzentrieren sie sich auf das Management der Epidemie, das heißt auf Massentötungen in den betroffenen Betrieben. Durch die Genehmigung von immer größeren Tieranlagen, auch im Bio-Bereich, erhöht sich zudem nicht nur zwangsläufig die Zahl der betroffenen Tiere im Fall eines Infektionsgeschehens, sondern auch das Infektionsrisiko an sich. Im Interesse einer möglichst kostengünstigen Tierproduktion wird beides aber wissentlich in Kauf genommen – auf Kosten der Tiere und unter Gefährdung des öffentlichen Gesundheitsschutzes.

Das Leben von Menschen und Tieren wird gefährdet

Mit der weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe steigt auch die Gefahr von Zoonosen, also der Krankheitsübertragung von Tieren auf Menschen. Besonders gefährdet sind zudem Wildvögel, darunter auch seltene Arten. COVID-19 zeigt ganz akut, dass die Gefahr von Pandemien eng mit dem System Tierindustrie verbunden ist. Denn nicht nur bei COVID-19 wird der Ursprung auf einem Tier- und Fleischmarkt vermutet. Wissenschaftliche Studien zeigen seit Jahrzehnten, dass drei Viertel aller neuen Krankheitserreger von Tieren stammen. Als Hauptursachen gelten zum einen die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensräume von Wildtieren, die Menschen in Kontakt mit neuen Tierpopulationen bringt, zum anderen die weltweite „Nutztierhaltung“, insbesondere in ihrer heute verbreiteten industriellen Form.

Ein Stopp von Epidemien aus der Tierhaltung sowie der Schutz von Mensch und Tier können unter Beibehaltung der kommerziellen Tierhaltung schlicht nicht gewährleistet werden. Das Pulverfass Tierindustrie lässt sich nur entschärfen, indem es stillgelegt wird.

Stand: 11/2020 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V. und tierretter.de

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