Alternative Hühnerhaltung für die Eierproduktion – eine Alternative?
Animal Rights Watch veröffentlichte 2012 Videomaterial aus Bio-Legehennenanlagen zweier großer Bioeierproduzenten. Die dokumentierten katastrophalen Zustände sind in der wachsenden Biobranche keine Ausnahme.
November 2012, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
ARD Exclusiv und ARD FAKT berichten mit Videomaterial von Animal Rights Watch.
Schein und Wirklichkeit
Nach jahrzehntelangen Kampagnen von Tierschützer*innen sind für viele Verbraucher*innen Hühner im Käfig zu Recht der Inbegriff für Tierquälerei. Die Kund*innen greifen daher immer öfter guten Gewissens auf Eier aus Boden-, Bio- oder Freilandhaltung zurück. Nahezu alle Discounter haben Eier aus Käfighaltung komplett aus ihren Regalen verbannt und auf Eier aus alternativen Haltungsformen umgestellt. Wie aber die Wirklichkeit in Freiland-, Bio- oder Bodenhaltung aussieht, zeigen aktuelle Filmaufnahmen aus sieben Betrieben, die unter anderem für große Discounter und Bioläden produzieren: Von Parasiten befallene Hühner, kranke, halbnackte und sterbende Hühner, Hühner stehen auf toten Artgenossen, verweste Kadaver liegen im Stall, Enge und Stress, Kannibalismus und ausgepickte Federkleider, mangelhafte Hygiene, die Ausläufe der Freiland- und Biohaltungen können oft nur zu einem kleinen Teil genutzt werden – oder sind tageweise völlig verschlossen.
Die Zustände sind legal
Die Betreiber*innen der „schlimmen Anlagen“ sind im Recht – im EG-Öko-Recht. Was sie ihren Tieren antun, unterstützt von gutgläubigen Konsument*innen, ist legal. Bis auf „Kleinigkeiten“ – aber allemal bio. Bio, wie es in jedem Laden liegt, egal ob Dorfsupermarkt, Discounter, Hofladen. Nicht in Ordnung und extrem groß ist allerdings die Diskrepanz zwischen dem, was die Verbraucher*in von Bio erwartet und von der Branche mit schönen Bildern und lieblichsten Worten vorgegaukelt bekommt. Laut Ökobarometer des BMELV ist die angenommene „artgerechte Tierhaltung“ die größte Motivation, Bio zu kaufen: 94 % der Bevölkerung nennen sie als Grund für den Bioeinkauf. Was sie bekommen entspricht allerdings so gar nicht dem, was sie erwarten, da sitzt der Schock tief.
Bauernverband in Verteidigungshaltung
Zu tatsächlicher Transparenz sind auch jetzt weder Erzeuger*in noch Bauernverband bereit. Schlimmer noch: der Deutsche Bauernverband spricht von „Verunglimpfung der Bio-Bauern, die keineswegs Tierquäler seien“ und nennt den ARD-Beitrag „inakzeptabel und unredlich“. Haltungsbedingungen, wie im Film gezeigt, seien „untragbar und nicht zu tolerieren“ und „hätten sofort zur Anzeige wegen Tierquälerei kommen müssen“. Dass Tierhaltung gemäß geltenden Rechtsvorschriften allerdings gleichzeitig „untragbare Tierquälerei“ und eben „Recht“ sein kann – dazu kein Kommentar.
Der Marktdruck ist Schuld
Der Bauernverband betont zur Verteidigung seiner Bio-Schäfchen nebenbei noch, dass schließlich auch die gebeutelten Biobäuer*innen dem Marktdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel unterliegen. Übersetzt: artgerechte Tierhaltung ist bei dem, was das fertige Bioprodukt in die Biokassen der Bioerzeuger*innen bringt, nicht drin. Genau jetzt wäre der passende Zeitpunkt gewesen, den Verbraucher*innen das auch klar zu transportieren: Wenn du mir mindestens einen Euro pro Ei und 50 Euro für ein Kilo Fleisch bezahlst, könnten wir davon vielleicht „annähernd artgerecht“ produzieren. Wirklich ernähren können wir damit natürlich niemanden. Vor allem auch deshalb nicht, da die tierische Bioproduktion noch mehr Ressourcen verschwendet und pflanzliche Nahrungsmittel vernichtet als die konventionelle Tierhaltung.
Die Moral aus der Geschicht? Die Verbraucher*in kann nur „regulierend eingreifen“, wenn er über die tatsächlichen Produktionsbedingungen informiert ist. Nur treten diejenigen, die für die Produktion verantwortlich sind, auch jetzt weder für mehr Transparenz und Ehrlichkeit ein, noch wird der geringste Wille zu Verbesserungen erkennbar. Auch das: alles andere als „Bio“. Mahlzeit!
Hintergrund
Stand: 11/2012 | Text: Animal Rights Watch e.V. | Bilder: Animal Rights Watch e.V.
