Agrarfunktionäre empfangen Veterinärämter in vorbereiteten Ställen

Bei Veterinärkontrollen in den Ställen führender Agrarfunktionäre seien keine Tierschutzverstöße festgestellt worden. Das ergaben Behördenkontrollen, die teilweise erst Wochen nach den Medienberichten über die tierschutzwidrigen Zustände in diesen Ställen stattfanden. Die betroffenen Betriebe waren bis dahin längst aufgeräumt und für die vorhersehbaren und meist angekündigten Kontrollen vorbereitet. So unterstützen solche Pseudokontrollen die nicht enden wollenden Durchhalteparolen der tierhaltenden Landwirtschaft, wonach alles in Ordnung sei.

25. Oktober 2016

Zurückhaltung bei den Kontrollbehörden

Das im September veröffentlichte umfangreiche Videomaterial aus den Ställen führender Agrar-Verbandsfunktionäre bildet das gesamte Spektrum der Zustände in der deutschen Tierhaltung ab. Neben legalen Haltungsbedingungen, in denen gesetzeskonform gelitten wird, lagen auch – von unabhängigen Experten bestätigt – tierschutzrechtliche Verstöße vor, darunter eindeutige Straftaten.

Trotzdem reagierten Kontrollbehörden und Staatsanwaltschaften sehr zurückhaltend. Eine Vorgehensweise, die viel über den Zustand des Tierschutzvollzugs in Deutschland aussagt und für ARIWA nicht überraschend ist. Als einzige Kontrollbehörde hat sich bisher das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit der Bitte um das Videomaterial an ARIWA gewandt.

Nur kleine Mängel festgestellt

Die Ställe des thüringischen Bauernverbandspräsidenten Helmut Gumpert wurden im Rahmen einer zuvor angekündigten Teamkontrolle durchsucht. Dort sowie in den Schweinemastbetrieben von Paul Hegemann (Vorsitzender des Zentralverbands der Deutschen Schweineproduktion – ZDS) und Johannes Röring (MdB, DBV-Funktionär) seien nur kleine Mängel zu beanstanden. Zum einen kann man davon ausgehen, dass alle Betriebe nach der Veröffentlichung des Videomaterials blitzeblank aufgeräumt wurden. Zum anderen fragen wir uns, was die betreffenden Veterinärämter, die die Betriebe seit Jahrzehnten anstandslos ‚kontrolliert’ haben, auch machen sollen, ohne sich selbst zu belasten. Da ist es kein Wunder, dass höchstens kleinere Mängel festgestellt werden.

Rechtsverstöße jahrelang nicht aufgedeckt

ARIWA geht davon aus, dass vergleichbare Zustände in vielen Betrieben an der Tagesordnung sind. Mangelhafte oder fehlende Kontrollen führen jedoch dazu, dass Rechtsverstöße jahrelang nicht aufgedeckt werden. Dies bestätigen auch neue Recherchen von SOKO Tierschutz in Baden-Württemberg. Die Schweinemast, in der schlimmste Zustände vorherrschen, war dem zuständigen Veterinäramt bereits seit zwei Jahren bekannt. Kontrolliert wurde trotzdem nicht – aus Kapazitätsgründen.

Auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Hegemann und Röring werden sicher im Sande verlaufen. Denn unsere Erfahrung aus mehr als zehn Jahren zeigt, dass auch nach detaillierten Anzeigen mit belegendem Filmmaterial Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz fast immer eingestellt werden. Diese Erfahrung machte ARIWA erst dieses Jahr wieder mit Anzeigen gegen die Bolart Schweinezucht in Vetschau (Brandenburg) und Gut Kleinwanzleben in Sachsen-Anhalt. Obwohl tausende Tiere u. a. in viel zu engen Kastenständen leiden, sehen die Staatsanwaltschaften keinen Handlungsbedarf. Das Thünen-Institut, eine Bundesforschungseinrichtung für Agrarfragen, stellte ebenfalls in einer Anfang 2016 veröffentlichten Studie fest, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz von den Justizbehörden nicht strafrechtlich verfolgt würden. Als Gründe wurden aufseiten der Staatsanwaltschaften und Gerichte fehlendes Engagement und Interesse am Tierschutz, fehlende Fachkenntnisse sowie schlechte personelle Ausstattung genannt.

Die Tiernutzung widerspricht dem Tierschutzgesetz

Aber auch die formal gesetzeskonforme Tiernutzung widerspricht aus Sicht von ARIWA eindeutig dem in § 1 TierSchG formulierten Grundsatz, das Leben und Wohlbefinden der Tiere um ihrer selbst willen zu schützen. Daher könnten auch mehr Kontrollen und eine konsequente Strafverfolgung den Fehler im System nicht beheben. Solange Tiere als Ressourcen kommerziell benutzt werden, wird sich an den veröffentlichten Zuständen nichts ändern. Dabei ist das System keineswegs alternativlos. Landwirt*innen können ihr Geld durch den Anbau hochwertiger pflanzlicher Lebensmitteln verdienen. Die Politik kann Tierhaltungssubventionen stoppen und den bio-veganen Landbau fördern. Und wir alle können uns lecker und gesund vegan ernähren.

Stand: 10/2016 | Text: Animal Rights Watch e.V. | Bilder: Animal Rights Watch e.V.

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