Huhn hinter Draht

Kein Kükentöten mehr in der Eierindustrie. Und nun?

Bis Ende 2021 wurden jedes Jahr in der Eierindustrie über 40 Millionen männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier legen können und für die Mast zu wenig Fleisch ansetzen. Das ist seit 2022 in Deutschland verboten. Stattdessen werden nun die männlichen Kükenembryos noch im Ei getötet. Oder sie werden als „Bruderhähne“ oder „Zweinutzungshühner“ bis zur Schlachtung gemästet. Ist das wirklich der große Schritt zu mehr Tierschutz, als der es verkauft wird?

Geschlechtsbestimmung an empfindungsfähigen Embryos

Circa 70 Prozent aller Brütereien in Deutschland bestimmen das Geschlecht der Küken vor dem Schlüpfen (Quelle: BMEL). Diese Geschlechtsbestimmung ist bisher „aus technischen Gründen“ erst ab dem neunten Bruttag im Ei möglich – nach etwa 21 Tagen schlüpfen die Küken. Doch bereits nach sieben Tagen können die Kükenembryos Schmerzen empfinden.

Daher ist ab 2024 die Geschlechtsbestimmung nur noch spätestens am sechsten Bruttag erlaubt. So lange bleibt sie jedoch auch nach dem siebten Bruttag zulässig, obwohl sie tierschutzwidrig ist. Auch kann heute niemand garantieren, dass ab 2024 wirklich ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung vor dem siebten Bruttag zur Verfügung stehen wird.

Weibliche „Legeküken“ und „Mast-Küken“ fehlen

Eine weitere Lücke im Gesetz: Das Tötungsverbot gilt nur für männliche Küken „die aus Zuchtlinien stammen, die auf die Legeleistung ausgerichtet sind“. In den Brütereien werden jedoch auch tausendfach weibliche „Legehennenküken“ und „Masthuhnküken“ kurz nach der Geburt getötet. Denn Brütereien produzieren immer zu viele Tiere, falls weniger Küken als erwartet schlüpfen. Deren Tötung nach dem Schlüpfen bleibt weiterhin legal. Sie werden meist schockgefrostet und anschließend zu proteinreichen Futtermittelrohstoffen oder für die Technische Industrie weiterverarbeitet.

„Bruderhähne“ und „Zweinutzungshühner“

Als weitere Alternative zur Verhinderung des Kükentötens gilt die Aufzucht männlicher Küken als sogenannte Bruderhähne. Das bedeutet, sie werden für die Fleischproduktion mit aufgezogen und nach 12 bis 20 Wochen Mast getötet. Da die männlichen Hühner der Legelinien nicht so viel und so schnell Fleisch ansetzen, wie speziell gezüchtete „Masthühner“, dauert die Mast länger. Durch die längere Mast und den höheren Futterverbrauch ist die CO2-Bilanz der Bruderhähne dreimal so hoch wie bei der normalen Hühnermast. Desweiteren ist die Haltung der „Bruderhähne“ nicht geregelt, viele werden im Ausland gemästet und getötet (Quelle).  Wirtschaftlich ist das nicht und funktioniert nur, wenn die Aufzucht der Hähne über einen höheren Eierpreis mitfinanziert wird.

Auch sogenannte „Zweinutzungsrassen“ werden immer wieder als „tiergerechte Alternative“ genannt. Deren Zucht hat bislang jedoch keine „wirtschaftlichen“ Hühner hervorgebracht. Sie legen weniger Eier, die Hähne setzen weniger Fleisch an als die der „Mastrassen“, verbrauchen dafür aber bedeutend mehr Futter. Sie dienen mehr der „Imagepflege” der Hühner- und Eierproduzenten.

Das Leid in den Eierindustrie geht weiter

Die neue Regelung ändert nichts am grundsätzlichen Problem, dass Tiere zu Waren degradiert werden und ihr Leben als reine Verfügungsmasse. Das Leid in den Eierfabriken wird deshalb unvermindert weitergehen. Auch künftig leben die meisten Hennen – als Eiermaschinen missbraucht – zu Tausenden, dicht an dicht, gestresst und aggressiv in riesigen Stallanlagen, darauf gezüchtet, fast jeden Tag ein Ei zu legen. Auch künftig enden sie nach höchstens anderthalb Jahren, als unproduktiv aussortiert, im Schlachthof. Und auch künftig werden alle männlichen Tiere nach nur einem Bruchteil ihrer natürlichen Lebenserwartung gewaltsam getötet – egal ob sie nun „Bruderhähne“ oder „Zweinutzungshühner“ heißen.

Aufhören wird dieses Leid nur dann, wenn wir die Produktion und den Konsum von Eiern beenden. Die Eierindustrie ist ein Relikt aus der Vergangenheit, das niemand braucht.

Stand: 04/2023 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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