Schwein blickt in die Kamera

Schweinehaltung ist verfassungswidrig – jetzt und in Zukunft

Im Januar 2019 hat das Land Berlin eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Damit soll überprüft werden, ob die Haltungsbedingungen für Schweine gegen das Tierschutzgesetz und damit gegen die Verfassung, in der Tierschutz als Staatsziel definiert ist, verstoßen.

Schweine können Grundbedürfnisse nicht ausleben

Die über 300 Seiten dicke Klage belegt, dass die Vorschriften zur Haltung von Schweinen gegen deren artspezifische Grundbedürfnisse verstoßen und zu Schmerzen, Leiden und Schäden führen. So haben Schweine im Mastbereich nicht einmal Anspruch auf genug Platz, um in gestreckter Seitenlage schlafen zu können, wie es Schweine normalerweise tun. Auf die Spitze getrieben wird das Einpferchen zudem bei der Kastenstandhaltung von Muttersauen: In den körperengen Käfigen können sich die Tiere höchstens einen Schritt vor oder zurück bewegen. Dadurch wird das Ausleben fast aller Grundbedürfnisse – wie Bewegung, Nahrungssuche, Nestbau, Umsorgen der eigenen Kinder und Sozialkontakte zu anderen Schweinen – brutal unterbunden.

Das Bedürfnis, Nahrung zu suchen, neugierig die Umgebung zu erkunden und zu verändern, ist in Schweineanlagen generell nicht möglich. In der Natur würden Schweine den größten Teil ihrer Wachzeit mit Futtersuche verbringen, indem sie den Boden umpflügen. In Mastanlagen bekommen sie dagegen mehrmals am Tag Speisebrei vorgesetzt, der noch nicht einmal gekaut werden kann. Zur Beschäftigung in ihrem komplett reizarmen Gefängnis erhalten sie bestenfalls ein Holzstück an einer abgehängten Eisenkette.

Neben dem psychischen ist auch großes körperliches Leid an der Tagesordnung: Neun von zehn Schweinen in Mastanlagen leiden wegen der harten Betonspaltenböden an Schleimbeutelentzündungen der Knie, viele weisen außerdem Klauenverletzungen auf. Und die Ammoniakdämpfe, die aus den Güllebehältern nach oben steigen, verursachen oft schwere Atemwegserkrankungen bis hin zur Lungenentzündung.

Auch neue Haltungsbedingungen ändern nichts

Dass die sensiblen, intelligenten Tiere in den Zucht- und Mastbetrieben ein Dasein fristen, das selbst bei großzügigster Auslegung rein gar nichts mit Begriffen wie Tierwohl oder Tierschutz zu tun hat, ist so offensichtlich, dass es im Grunde keine 300-seitige Belegsammlung bräuchte. Und das gilt nicht nur für Schweine. Alle Tiere, die für menschliche Interessen eingesperrt und getötet werden, leiden lebenslang in kaum vorstellbarer Weise.

Sollte die Berliner Klage erfolgreich sein – wovon wir ausgehen –, muss das Bundeslandwirtschaftsministerium neue, „angepasste” Haltungsbedingungen festlegen. Doch auch diese werden zwangsläufig gegen das Verfassungsziel Tierschutz verstoßen. Denn ein bisschen mehr Platz, ein bisschen mehr Bewegung oder Beschäftigung, ein bisschen weniger Ammoniak in der Luft oder etwas weniger harte Böden werden den tatsächlichen Bedürfnissen der Tiere nicht gerecht. Egal wie eine künftige Regelung für Schweine aussieht: Alle Aspekte ihres Lebens, ihre Bedürfnisse und Interessen werden weiter den ökonomischen Interessen der Tierhalter*innen untergeordnet bleiben. Leid und Schmerz sind also weiterhin vorprogrammiert.

Umsetzung im Jahr 2054?

Hinzu kommt, dass selbst dieser „Erfolgsfall” keine unmittelbaren Konsequenzen haben wird. Denn für die Umstellung von Betrieben auf neue rechtliche Vorgaben gelten lange Übergangsfristen. Bis sich infolge der Klage in den Ställen auch nur geringste Details ändern, wird es deshalb noch Jahrzehnte dauern.

Schon einmal hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Nutztierhaltung beschäftigt. 1990 reichte Nordrhein-Westfalen eine Normenkontrollklage gegen die Käfighaltung für Hühner in der Eierproduktion ein. Neun Jahre später fiel das Urteil: Die Haltungsform wurde für gesetzwidrig erklärt. Trotzdem wird erst 2025 wirklich Schluss sein mit der Käfighaltung, denn die einflussreiche Agrarlobby hat lange Übergangsfristen ausgehandelt. Sollte es im Fall der Schweine erwartungsgemäß ähnlich ablaufen, so hätten diese im Jahr 2054 Anspruch auf etwas mehr Platz – und trotzdem kein grundlegend anderes „Leben”. Auch das Ende der Käfighaltung bedeutet nicht das Ende der Tierquälerei von Hühnern in der Eierproduktion. Dies zeigen unter anderem diese Bilder aus einer Bodenhaltung von 2018.

So oder so geht die Zahl der Schweine, die in den nächsten Jahrzehnten noch unter den heute in Deutschland üblichen Bedingungen leiden werden, in die Milliarden. Und ein Ende des Tierleids für den menschlichen Konsum ist auf diese Weise ohnehin nicht zu erwarten.

Tierqual mit gutem Gewissen

Das Leid der Schweine zu beenden ist jedoch auch nicht das Ziel von Justizsenator Dirk Behrendt, der für das Land Berlin die Klage eingereicht hat. „Ich esse weiter Schweinefleisch, aber deutlich weniger und hoffe, dass wir Erfolg haben werden, damit ich wieder guten Gewissens zubeißen kann”, sagte er auf einer Pressekonferenz. Diese Aussage zeigt beispielhaft, wie Tierschutzreformen dazu dienen, das System der Ausbeutung und Tötung von Tieren zu stabilisieren. Wer Schweinen und anderen „Nutztieren” wirklich helfen will, muss deshalb die Legitimation dieses Systems grundsätzlich infrage stellen und die Menschen konsequent aufklären: über das Leid in jedem Tierprodukt sowie über eine vegane Lebensweise als einzig tierfreundliche Alternative.

Stand: 01/2019 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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