Schwein blickt in die Kamera
Das Leben der Schweine

In sechs Monaten bis zur Schlachthreife: Schweine leben typischerweise in großen Mast- und Zuchtanlagen – ohne Sonnenlicht, ohne die Möglichkeit die eigenen Bedürfnisse auszuleben, auf Spaltenböden über ihren eigenen Exkrementen.

Das Leben der Schweine: 110 Kilo bis zum Tod

In Deutschland leben gerade in diesem Moment mitten unter uns fast 27 Millionen Schweine. Doch wo sind sie? Sie leben bis auf einige wenige Ausnahmen in großen Mast- und Zuchtanlagen – ohne Sonnenlicht, ohne die Möglichkeit ihre Bedürfnisse auszuleben, auf Spaltenböden ein beschäftigungsloses Leben über ihren eigenen Exkrementen. Bis sie mit 110 Kilo Körpergewicht ihre „Schlachtreife” erreicht haben oder als Zuchtsauen nicht mehr produktiv genug sind.

Ein Schweineleben

Vor 35 Jahren lag die durchschnittliche Bestandsgröße eines schweinehaltenden Betriebes in der Bundesrepublik bei 50 Tieren. Der unstillbare Hunger nach Massen von billigem Fleisch hat die Bestände rasant wachsen lassen: 2018 betrug der durchschnittliche Schweinebestand 1.200 Schweine pro Betrieb. Im Osten Deutschlands leben heute statistisch pro Betrieb 4.800 Schweine, im Westen sind es „nur” 1000 in insgesamt 22.400 Betrieben. Fast 80 % aller Schweine leben in Betrieben mit mehr als 1.000 Tieren, fast der gesamte Rest lebt in Betrieben mit über 2.000 Schweinen. Schweine in Betrieben mit unter 50 Tieren werden statistisch gar nicht mehr erfasst, weil ihr gesamter Tierbestand nicht einmal 1 % des großen Ganzen ausmacht.

Über 58 Millionen Schweine wurden 2017 in Deutschland geschlachtet. Die meisten von ihnen stammen aus Großmastbetrieben mit bis zu zehntausenden von Tieren, die vor allem im Osten Deutschlands keine Seltenheit mehr sind und vermehrt an Bedeutung gewinnen. In solchen Anlagen läuft fast alles „vollautomatisch”: computergesteuerte Lüftung und Fütterung ermöglichen den Betrieb von großen Schweineanlagen mit nur einer Handvoll Mitarbeitern.

Zuchtschweine führen ein Dasein jenseits unserer Vorstellungskraft. Einen Großteil ihres Lebens verbringen sie in Kastenständen: Metallgitterkonstruktionen, in die sie kaum hineinpassen und welche ihnen nicht mehr Bewegungsspielraum geben als Stehen oder Liegen – Umdrehen oder einen Schritt vor und zurück gehen ist nicht möglich. Die Zuchtsauen werden künstlich besamt, um zweimal jährlich nach einer Tragezeit von drei Monaten, drei Wochen und drei Tagen einen Wurf von mindestens einem Dutzend abgesetzten Ferkeln zu produzieren. Spätestens nach 5 bis 6 Jahren ist das Leben einer Zuchtsau vorbei – und sie landet als „unproduktiv” im Schlachthof. Unter normalen Umständen hätte ein Schwein eine Lebenserwartung von 15 Jahren, ähnlich der eines Hundes.

Auch zur Geburt ihrer Ferkel sind die Schweine in Metallkonstruktionen fixiert. In freier Natur bauen Schweine vor der Geburt ihrer Ferkel Nester, die Ferkel werden nach der Geburt liebevoll versorgt. In ihrer Gefangenschaft stehen und liegen sie in „Abferkelbuchten“ auf blankem Boden und Kotrosten, die Schweinemütter können sich weder umdrehen noch einen Schritt tun. Die „Ferkelschutzkörbe“ verhindern jeden normalen Kontakt zwischen Müttern und Kindern, sollen bewirken, dass die Sauen in der Enge ihre Ferkel nicht totliegen.

Die Ferkel suchen die Nähe ihrer Mutter, aber durch ihr Eingesperrtsein im Metallgitter kann sie nicht ausweichen: einzelne Ferkel werden von ihren Müttern erdrückt. Viele Ferkel sterben schon kurz nach ihrer Geburt: „totgelegen“, durch Krankheiten, kamen zu schwach zur Welt oder werden erschlagen, da sich Ihre Aufzucht nicht lohnt. Diese und Verluste durch Totgeburten sind einkalkuliert und bei Wurfstärken von oft bis zu 20 Ferkeln „normal“. Wer lebt, leidet: schon in den ersten Lebenstagen erwartet die Ferkel eine wahre Tortur: Impfen, Ohrmarken eintackern, Zähne abschleifen, Schwänze abschneiden, kastrieren – alles ohne Betäubung.

Selbst das schmerzhafte Abschneiden der Ringelschwänze und die Kastration der männlichen Ferkel geschieht meist ohne Betäubung – ganz legal bis zum Alter von zwei Wochen. Dass das auch bis Ende 2020 noch so bleibt, dafür hat sich der Bundestag Ende 2018 ausgesprochen. Durchgeführt werden die Verstümmelungen der Ferkel nicht von Tierärzten, sondern vom billigeren „Ferkelproduktionspersonal“. Vorstöße zur Vermeidung der Kastration der männlichen Schweine durch die Mast unkastrierter Eber oder gegen den „Ebergeruch” geimpfter Tiere können nur einen kleinen Teil des Leidens der Tiere mindern und führen dazu, dass Mastschweine, deren „Schlachtkörper“ doch den typischen Ebergeruch aufweisen, am Schlachthof nicht zu Fleisch, sondern zu Müll werden.

Drei bis vier Wochen nach der Geburt werden die kleinen Ferkel von ihren Müttern getrennt. In einem Alter, wo sie normal noch lange von ihrer Mutter abhängig wären, bedeutet das für die Ferkel enormen Stress. Ihr Leben spielt sich von nun an ihn Schweinebuchten unter Kunstlicht ab, ohne Einstreu, ohne Beschäftigung. Mit einem Gewicht von 25 Kilo werden die Ferkel zu so genannten „Läufern“ – doch Laufen und sich schweinegemäß betätigen können sie sich in ihren Buchten kaum. Die intelligenten Schweine wollen erkunden, toben, lernen, wühlen, suhlen, kauen – doch außer sich selbst, ihren Artgenossen und dem Futter gibt es nichts.
Beschäftigungsmaterial in Form von „beweglichen Gegenständen“ ist nach der Schweinehaltungsverordnung vorgeschrieben. In der Realität findet sich pro Schweinebucht mal ein „Spielball“ – der bei jeder Bewegung durch die Exkremente der Tiere rollt – oder ein alter Holzbalken oder eine Metallkette. Die unter Stress stehenden Schweine neigen zum Kannibalismus, fressen sich nicht selten aus Langeweile gegenseitig an. Ohren und die Reste der abgeschnittenen Schwänze ihrer Artgenossen dienen als „Beschäftigungsmaterial“.

Mit einem Gewicht von 50 Kilo beginnt die eigentliche Mast der jungen Schweine. Ihre einzige Aufgabe: fressen, wachsen, Fleisch ansetzen. Hinter sich haben sie oft einen Tiertransport über weite Strecken: Zucht, Aufzucht und Mast finden meist nicht in „geschlossenen Systemen“ statt, sondern in verschiedenen, spezialisierten Betrieben. Die Haltung in großen Gruppen zusammen mit fremden Schweinen führt zu Rangkämpfen und Beißereien und der Verbreitung verschiedenster Krankheitserreger. Die Zahl der Tiere, die Bissverletzungen haben und die Erkrankungen nehmen zu.

Einem Mastschwein mit einem Gewicht von 50 Kilo steht gesetzlich ein Platz von grade einmal 0,5 Quadratmetern zu – so viel Platz, wie ein ausgewachsener Rottweiler in einem Kaninchenkäfig hätte. Ein 110 Kilo schweres Mastschwein braucht nach der „Tierschutznutztierhaltungsverordnung“ 0,75 Quadratmeter Platz in der Schweinebucht. Unerträgliche Enge, ein Leben über und in dem eigenen Kot auf Betonspaltenböden, das ist das Leben des Schweins.
Durch das ständige Ausrutschen auf den glitschigen Betonspalten haben viele Tiere Fuß- und Beinverletzungen. Sie können nur unter Schmerzen laufen, humpeln, lahmen, haben manchmal Ballgroße eitrige Abszesse. Selbst kleine Verletzungen werden aufgrund von Besiedelung mit verschiedensten Erregern und dem permanenten Kontakt offener Wunden mit Kot und Gülle zum oftmals tödlichen Problem. Viele Mastschweine leiden dazu unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenerkrankungen. Durch das schlechte Stallklima und das Leben über der eigenen Gülle: der ausdünstende Ammoniak schädigt ihr Lungengewebe, Krankheitserreger haben ein leichtes Spiel.
Die hygienischen Bedingungen in der Schweinehaltung sind „unter aller Sau“: trockene, saubere Liegeplätze gibt es nicht, auch zugekotete Futterrinnen sind keine Seltenheit. Viele Schweine überleben die Dauer der Mast nicht die Mortalitätsrate in einem „normalen Schweinestall“ liegt bei 5 %. Nicht selten liegen tote Schweine über längere Zeiten zwischen den lebenden Artgenossen: ihre toten Körper dienen als „Beschäftigungsmaterial“, werden bekaut und mit den Rüsseln durch die Buchten geschoben.
In einem Alter von 7-8 Monaten haben die jungen Schweine, die die Mast überlebt haben, ihr „Schlachtgewicht“ von etwa 110 Kilo erreicht – nicht einmal die Hälfte des Gewichtes eines erwachsenen Schweins. Für Schweine, die bei der Schlachtung nicht dieses Norm-Gewicht haben, gibt es Preisabzüge für die Mäster. Die Schweine werden aus ihren Mastbuchten getrieben, auf LKWs verladen und zum Schlachthof transportiert. Ein letzter Weg in erdrückendem Gedränge, Stress, Hitze, Kälte, die Tiere beißen und treten sich, haben in der Enge kaum eine Möglichkeit, an Trinkwasser zu kommen. Sofern es überhaupt welches gibt. Das sind sie allerdings schon aus ihren Mastbuchten gewohnt, wo sie Trinkwasser – wenn überhaupt – nur über Nippeltränken bekamen.

Abgeladen in den Wartebereichen der Schlachthöfe haben die Tiere ihren eigenen Tod vor Augen, riechen das Blut und hören die letzten panischen Schreie ihrer Artgenossen. Bevor sie selbst zur Schlachtung getrieben und mit Strom oder Gas betäubt werden, ihre Halsschlagader aufgeschnitten wird, sie ausbluten und im Brühbad landen. Durch die Akkordarbeit in den Schlachthöfen, oftmals von Billiglöhnern unter enormem Zeitdruck ausgeführt, ist es an der Tagesordnung, dass Schweine vor ihrer Schlachtung nur unzureichend betäubt werden und ihren Tod und ihre beginnende Zerlegung bei vollem Bewusstsein erleben. Dem Schnitzel in der Kühltheke sehen wir nicht an, wie das Leben des Schweins zu Ende ging.

Glückliche Bio-Schweine?

Schweine aus konventioneller Mast haben alles andere als ein „glückliches Leben“ hinter sich. Doch wie sieht es mit Bio-Schweinen aus, die allerdings sowieso nur minimale 0,6 % der im Jahr 2015 in Deutschland gehaltenen Schweine ausmachen? Ein 100 kg schweres Mastschwein wird wahrscheinlich nicht bedeutend glücklicher dadurch, dass ihm 2,3 qm Platz als „Bioschwein“ zugestanden werden. Es hat keinen Anspruch auf Freilauf und braucht „rein rechtlich“ niemals eine grüne Wiese unter seinen Füßen. Zuchtsauen im Abferkelgitter bewegungslos fixiert – auch das ist „bio“. „Bio“ ist nicht ein glückliches Schwein, welches nach Herzenslust im Schlamm suhlen darf. Es täuscht bewusst tierfreundliche Verbraucher und gaukelt eine heile Nutztierwelt vor, wo keine ist.

Stand: 08/2019 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.

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