
Zoonosen
Kranke Tiere, kranke Menschen: Neue Erreger haben ihren Ursprung oft in unserer Ernährung.
Tierkonsum und Pandemien: ein Überblick
„Solange Menschen Fleisch essen, besteht auch die Gefahr von Infektionen“, kommentierte ein WHO-Sprecher den Ausbruch der Corona-Pandemie. Denn nicht nur bei COVID-19 wird der Ursprung auf einem Tier- und Fleischmarkt vermutet. Wissenschaftliche Studien zeigen seit Jahrzehnten, dass neue Krankheitserreger sehr häufig von Tieren stammen.
DREI VON VIER ERREGERN BETROFFEN
Bereits im Jahr 2001 ergab eine Metastudie der Universität Edinburgh, dass es sich bei 75 % aller neu auftretenden Infektionskrankheiten, die gefährlich für den Menschen sind, um Zoonosen handelt. Das bedeutet: Die Erreger wurden ursprünglich von einer anderen Tierart auf Menschen übertragen und haben dort zu einer Erkrankung und zu weiteren Ansteckungen geführt. Hauptursachen für solche artübergreifenden Infektionen sind zum einen die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensräume von Wildtieren, die Menschen in Kontakt mit neuen Tierpopulationen bringt, zum anderen der Verzehr von Tierkörpern und Tierprodukten. Letzteres betrifft sowohl die Jagd auf Wildtiere als auch die sogenannte Nutztierhaltung, insbesondere in ihrer heute verbreiteten industriellen Form.
BRUTSTÄTTE TIERINDUSTRIE
Mit ihren typischen hohen Besatzdichten, langen Transportwegen für Tiere und tierliche Produkte sowie der Ausbringung gigantischer Mengen von Exkrementen ist die heutige Tierindustrie nicht nur eine perfekte Brutstätte für neue, aggressive Krankheitserreger. Sie sorgt auch effizient für deren rasante weltweite Verbreitung. Das bestätigt unter anderem die Studie „Industrielle Tierproduktion und weltweite Gesundheitsrisiken“, die 2007 von der Welternährungsorganisation FAO gemeinsam mit mehreren internationalen Universitäten durchgeführt wurde.
„Durch Züchtung genetischer Monokulturen von Nutztieren werden alle eventuell vorhandenen Immunschranken beseitigt, die die Übertragung verlangsamen könnten. Eine große Tierpopulation und -dichte fördert hohe Übertragungsraten. Solche beengten Verhältnisse beeinträchtigen die Abwehrkräfte des Immunsystems der Tiere. Ein hoher Durchlauf von Tieren, der Teil jeder industriellen Produktion ist, versorgt die Viren mit ständig neuen Wirtstieren, was die Ansteckungsfähigkeit der Viren fördert.“
Rob Wallace, Autor von Big Farms Make Big Flu
ZUSATZRISIKO ANTIBIOTIKARESISTENZEN
Gleichzeitig untergräbt die flächendeckende Gabe von Antibiotika an sogenannte „Nutztiere“ auf lange Sicht unser Gesundheitssystem. Nach aktuellen Schätzungen entfallen 70 bis 80 % aller weltweit eingesetzten Antibiotika auf die Tierindustrie. Da die Tierproduktion weltweit steigt, wird zwischen 2010 und 2030 ein weiterer globaler Anstieg des Verbrauchs von Antibiotika um 70 % erwartet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte 2017 davor, dass sich dadurch zwangsläufig Keime bilden werden, die gegen alle verfügbaren Antibiotika resistent sind.
ZUSATZRISIKO REGENWALDVERNICHTUNG
Die Zerstörung von Regenwäldern, die großteils für den Anbau von Futtermitteln wie Soja und Mais erfolgt, verstärkt die Gefahr neuer Krankheiten zusätzlich. Denn die Rodungen zerstören die natürlichen Lebensräume zahlreicher Wildtiere. Ihre Vertreibung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie in engen Kontakt mit Menschen kommen und dabei gefährliche Krankheiten übertragen. Mehr als zwei Drittel aller Erreger, die Humanepidemien auslösten, stammen ursprünglich von Wildtieren, die in tropischen Regionen heimisch sind.
BEKANNTE ZOONOSEN
Die Liste der Infektionskrankheiten, die auf den anhaltenden Tierkonsum zurückgehen, ist lang und prominent besetzt. Nicht alle haben zu Pandemien geführt, die meisten aber treten regelmäßig in Erscheinung, und viele haben sich endemisch in verschiedenen Teilen der Welt festgesetzt. Die folgenden Zoonosen gehören zu den bekanntesten und gefährlichsten Beispielen.
NACH DEM SKANDAL IST VOR DEM NÄCHSTEN
Welches Risiko der anhaltende Verzehr tierischer Produkte tatsächlich darstellt, zeigen die immer schneller aufeinanderfolgenden Skandalmeldungen und Epidemien, von denen COVID-19 nur den jüngsten Höhepunkt bildet. Zwischen Vogel- und Schweinegrippe, EHEC und Campylobacter jagt ein Gammelfleischskandal den nächsten. Immer wieder tauchen Salmonellen in Geflügelfleisch und Eiern auf oder Dioxin im Frühstücksei und im Schweinefutter. Die Kontrollen versagen, Gefahren werden verschwiegen. Dabei muss man sich klarmachen, dass all diese Skandale immer erst in die Schlagzeilen gelangen, nachdem bereits Unmengen verseuchter Lebensmittel in den Handel gelangt und konsumiert worden sind.
„Zoonosen stellen immer noch eine signifikante Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar“, betonte die WHO bereits 2013, „aber viele dieser Bedrohungen werden vernachlässigt.“ Vor diesem Hintergrund werden wir uns auch in Zukunft auf immer neue Krankheiten und Pandemien einstellen müssen. Es sei denn, wir ändern endlich ganz grundlegend unseren Umgang mit Tieren und ihrem Lebensraum.
WAS KÖNNEN WIR TUN?
Im Grunde ist es einfach: Wenn die Zucht, Jagd, Tötung und Vertreibung von Tieren zu immer neuen Pandemien führt, dann lässt sich dieses Risiko am wirksamsten verringern, indem wir Tiere schlicht in Ruhe lassen. Der Schlüssel dazu ist die Umstellung auf eine pflanzliche, vegane Lebensweise. Denn sie macht zugleich mit der Krankheitsbrutstätte Tierindustrie auch deren enormen Futterbedarf überflüssig – und damit die Hauptursache für die Zerstörung natürlicher Lebensräume weltweit.
Stand: 04/2020 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.
