Dia Akte Krämer – Jahrelanges Tierleid, ohne Einschreiten der Behörden

Animal Rights Watch kämpfte seit 2004 jahrelang gegen die Zustände in der Schweinemast Krämer. Seit 2007 ist die Schweinemast außer Betrieb.

Mai 2008, Siegen

Unter anderem ARD Panorama, ARD Brisant, SAT1 Am Abend und Pro7 SAM berichteten mit Videomaterial von Animal Rights Watch.

Schweinemast Krämer schließen

„Schweinemast Krämer schließen“ forderte Animal Rights Watch im Jahr 2004, nachdem verheerende Zustände in einer Schweinemastanlage im Kreis Siegen-Wittgenstein aufgedeckt wurden. Über Jahre hinweg wurden die untragbaren Haltungsbedingungen in der Schweinemastanlage Krämer mit Videodokumentation belegt: die Mastschweine lebten in Dunkelhaft, ihnen stand kein Trinkwasser zur Verfügung, die Spaltenböden waren ausgetreten und stellten enorme Verletzungsgefahr da, die komplette Anlage war stark verdreckt, Güllegruben liefen mitunter über, so dass die Schweine im eigenen Kot standen und lagen, es gab immer Tiere mit offenen Wunden, Bissverletzungen, Gelenksentzündungen, verletzte und kranke Tiere wurden nicht oder nur ungenügend tierärztlich versorgt.

Einstweilige Verfügung gegen ARIWA

Animal Rights Watch erstattete Strafanzeige gegen den Betreiber. Doch statt die Anlage zu schließen, erwirkte der Betreiber eine einstweilige Verfügung, wonach Animal Rights Watch Erkenntnisse und Bildmaterial nicht mehr veröffentlichen durften. Die Wohnungen der Vorstandsmitglieder wurden polizeilich durchsucht – Filmmaterial beschlagnahmt: Der Schweinemäster stand im Verdacht falsche eidesstattliche Versicherungen bei Gericht vorgelegt zu haben, das Kreisveterinäramt hielt konkrete Auskünfte über die Zustände in der Schweinemast zurück. Die Verfügung gegen Animal Rights Watch wurde im Dezember 2004 vom Landgericht Siegen vollständig aufgehoben.

Auch nach weiteren Videoaufnahmen von 2005, die erneut zahlreiche tierschutzwidrige Zustände aufdeckten, wurden die Ermittlungen gegen den Schweinemäster von Staatsanwalt Weiß mit dem Segen des Oberstaatsanwaltes Ebsen im Dezember 2005 eingestellt: Ein Sachverständiger sei vor Ort gewesen, habe aber keine verletzten Tiere vorgefunden.

Schwerste Tierquälerei

Schwerste Tierquälerei beweisen zusätzlich Langzeitaufnahmen mit versteckter Kamera von Januar 2006. In den gefilmten Schweinbuchten zu sehen: Nur zweimal am Tag wird den Tieren in den dunklen Kellerverliesen für wenige Minuten das Licht angemacht. Nur bei seltenen Reparaturarbeiten oder ähnlichen Ausnahmen sind die Tiere wenige Stunden im Hellen. Und das, obwohl bereits im Mai 2004 von den Behörden täglich 8 Stunden ausreichende Beleuchtung gefordert wurden.

Die Langzeitaufnahmen zeigen noch mehr: Entgegen den Beteuerungen des Mästers bei Gericht wurden die Futterrinnen, in die die Tiere in den engen Buchten unausweichlich auch urinieren und koten, während der 7-tägigen Langzeitaufnahmen kein einziges Mal gereinigt. Die Aufnahmen zeigen weiter, wie der Schweinemäster ein Tier erst mit der Hand, dann mit einem großen Werkzeug schlägt, weil es ihn bei einer Reparaturarbeit stört. Er schüttet Futterreste, die bei der Reparatur des Futterrohres angefallen sind, einfach in die Bucht. Das hat zur Folge, dass sich das Futter mit den Fäkalien auf dem Spaltenboden vermischt und die Tiere unweigerlich daran lecken. Ein idealer Nährboden zur Verbreitung von Krankheiten und Wurmbefall.

Veterinäramt spielt Vorwürfe runter

Das zuständige Veterinäramt hatte die Vorwürfe offiziell gegenüber der Öffentlichkeit immer wieder heruntergespielt, die Anlage wurde als „befriedigend“ eingestuft. Vollständige Akteneinsicht wurde dem Verein Animal Rights Watch e.V. (seinerzeit noch „die Tierfreunde e.V.“) als Anzeigeerstatter nie gewährt. Erst 2008 brachten die über Dritte an den Verein gelangten Unterlagen des Veterinäramtes Klarheit: die Feststellungen des Veterinäramtes waren deckungsgleich mit denen der Anzeigen, stellten aber nach Auffassung des Veterinäramtes lediglich „geringfügige Mängel“ dar.

Das Veterinäramt stellte laut Akten unter anderem fest [Zitat]: „Zum Problem Hochstand der Gülle gibt Herr Krämer an, dass es vereinzelt (2-3mal im Jahr) zu Verstopfungen in der Abflussanlage und somit kurzzeitig zu höheren Gülleständen kommt, wobei das Niveau der Spalten überschritten werden kann. Dies würde aber immer direkt behoben.“ Weiter [Zitat]: „Eine tierärztliche Betreuung findet nicht statt (finanzielle Gründe), ein Bestandsbuch wird nicht geführt, Desinfektionswannen im Eingangsbereich stehen zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung. Die Selbsttränken im unteren Stall sind abgedreht, da aufgrund des Eindrucks des Herrn Krämer sen. diese nicht angenommen/kotverschmutzt werden. Nippeltränken führten zu Spielverhalten und dadurch bedingtem Gülleanfall durch ablaufendes Wasser.“ Weiter gab es „Keine Beschäftigungsmöglichkeiten in den Buchten“.

Das Veterinäramt erließ daraufhin Auflagen zu Tränkewasserversorgung, Hygiene, Spaltenböden, tierärztlichen Versorgung von Schweinen, Stallklima, Beleuchtung, Beschäftigungsmöglichkeiten, Desinfektionseinrichtungen und ordnet an, dass ein Tier wegen multiplen Abszessen umgehend schmerzlos getötet werden muss.

Kein Handlungsbedarf

Auch Kreisdirektor Bender sah offiziell keinen Handlungsbedarf: „Das Veterinäramt und weitere Sachverständige (z.B. die Bezirksregierung und das Ministerium) haben in dem Betrieb nur geringfügige Mängel festgestellt. Zu keinem Zeitpunkt waren diese Mängel so schwerwiegend, dass Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren eingeleitet werden mussten.“ Zu den Aufnahmen, welche die verheerenden Zustände in der Schweinemastanlage dokumentieren, schrieb Bender: „Kontrollen des kompletten Betriebes durch Fachleute sind wesentlich aussagekräftiger als im Rahmen von Einbrüchen unter ungünstigen Bedingungen (Dunkelheit, Nahaufnahmen mit künstlichem Licht) angefertigte Einzelaufnahmen oder Filmausschnitte, die nicht sicher in allen Teilen zeitlich und örtlich (Schnitte) zuzuordnen sind. Diese regelmäßig auftauchenden Aufnahmen oder Filme, die in dem Betrieb entstanden sein sollen, stellen zudem keinen repräsentativen Betriebsüberblick dar. Es werden bevorzugt angebliche Missstände, wie z.B. verletzte Tiere, gezeigt.“ Bender führte weiter aus: „Es existieren hunderte (!) Betriebe der gleichen Haltungsart in Deutschland, welche die häufigste Haltungsart darstellt. … Wer andere Betriebe mit einer artgerechten Tierhaltung will, muss die rechtlichen Vorgaben ändern“.

Die – wie auch vom Kreisdirektor – als „nicht artgerecht“ eingestufte Schweinehaltung im Betrieb Krämer wurde nach unseren jahrelangen Bemühungen im Jahr 2007 endlich eingestellt. Dass zu diesem erfreulichen Ergebnis letztendlich vielleicht nur die Tatsache führte, dass die Schweinemast in diesem Betrieb nach dem Verbot der Speiseresteverfütterung unrentabel geworden war, ist durchaus möglich. Dort, wo früher Hunderte von Schweinen jährlich litten, lagern nun die Speisereste des Entsorgungsunternehmens Krämer, mit welchen nicht mehr Schweine, sondern eine Biogasanlage gefüttert wird.

Stand: 05/2008 | Text: Animal Rights Watch e.V. | Bilder: Animal Rights Watch e.V.

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