„Straffreies Tierleid“ – ARD Report Mainz berichtet mit Bildern von ARIWA
Tierschutzverstöße in deutschen Anlagen bleiben für die Verantwortlichen fast immer ohne Strafe, auch wenn sie dauerhaft und systematisch begangen werden. Warum das so ist, zeigt das ARD-Magazin Report Mainz in seinem Beitrag „Straffreies Tierleid“.
4. September 2018
Neben Berichten von Amtsveterinär*innen und Strafrechtsexperten belegen zeitlich gestaffelte Aufnahmen aus der Thüringer Schweinezucht Gut Thiemendorf GmbH & Co. KG exemplarisch, dass sich am Leid der Tiere selbst nach mehrfachen Strafanzeigen nichts Grundlegendes ändert.
Trotz Anzeige …
Bereits Ende 2013 veröffentlichte Animal Rights Watch e.V. (ARIWA) umfangreiches Videomaterial aus der riesigen Anlage in Thüringen. Es zeigt Sauen in zu engen Kastenständen, viele davon so eng, dass die Tiere fast bewegungsunfähig fixiert sind. In weiten Teilen haben die Sauen keinen Zugang zu frischem Trinkwasser, mehrere Hallen sind nachts taghell erleuchtet. ARIWA erstattete Anzeige, mehrere behördliche Kontrollen und sogar Polizeirazzien waren die Folge. Das Unternehmen musste hohe Bußgelder bezahlen. Die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen wurden jedoch 2019 eingestellt.
… unveränderte Zustände
Dennoch: Erneute Aufnahmen zeigten Ende 2015 für tausende Sauen unveränderte Zustände. Ein großer Teil der Tiere litt nach wie vor in zu engen Kastenständen, oft mit Verletzungen, und bekam Schmutzwasser zu trinken. Zudem konnte mit versteckten Kameras dokumentiert werden, dass kleine, schwache Ferkel systematisch rechtswidrig erschlagen wurden, weil sich ihre Aufzucht finanziell nicht lohnt. Aufnahmen solcher illegalen Ferkeltötungen sind über Jahre hinweg von ARIWA und anderen Organisationen aus verschiedenen Anlagen veröffentlicht und zur Anzeige gebracht worden. In keinem Fall jedoch hat die zuständige Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, die Ermittlungen wurden stets eingestellt.
Strafrechtler bestätigt dieses Vorgehen
Der Mannheimer Strafrechtsprofessor Jens Bülte bestätigt dieses Vorgehen im Interview mit Report Mainz nach Auswertung von etwa 40 staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheiden mit Bezug zu Tierschutzverstößen: „Es kam in keinem einzigen Fall zu einer Anklage. Von sieben oder acht Bescheiden kann ich sagen, dass sie grobe juristische Fehler aufweisen. Ich glaube, dass Straftaten nicht so verfolgt werden, wie sie verfolgt werden müssten. Die Staatsanwaltschaft hat bei einem Anfangsverdacht zu ermitteln. Und im Tierschutzstrafrecht wird der Anfangsverdacht bei Unternehmen viel höher gehängt, die Hürden viel höher gehängt als in anderen Bereichen der Kriminalität. Und wenn dann ermittelt wird, dann werden diese Ermittlungen nach meinem Empfinden, nach meinen Recherchen nicht ernsthaft betrieben in vielen Fällen.“
Gut Thiemendorf keine Ausnahme
Auch die Verantwortlichen von Gut Thiemendorf sind bis heute straffrei geblieben. Eine aktuelle Anzeige der Umweltorganisation Greenpeace, die 2017/2018 ebenfalls Bilder aus dem Betrieb veröffentlicht hat, blieb ergebnislos: Die Ermittlungen wurden rasch eingestellt. Selbst wenn die Kontrollbehörden also, wie hier nach den Aufnahmen von 2013, tatsächlich aktiv werden, hat das für die Betreiber keine strafrechtlichen Konsequenzen. Gut Thiemendorf ist damit eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie über Jahre vorsätzlich, systematisch und gravierend gegen das Tierschutzgesetz verstoßen werden kann – unter den Augen der zuständigen Kontrollbehörden und der Justiz.
Wir fordern das Ende der Tierproduktion
Würde das Tierschutzgesetz ernst genommen, hätte nicht nur dieser Betrieb längst geschlossen und seinen Verantwortlichen ein Berufsverbot ausgesprochen werden müssen. Zustände wie hier sind in der Branche nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und das wird sich nicht ändern, solange Tiere als Ware statt als selbstständige Individuen betrachtet und wirtschaftlich genutzt werden. ARIWA fordert deshalb einen Komplettausstieg aus der Tierproduktion und die Förderung pflanzlicher Lebensmittel sowie des bio-veganen Landbaus. Nur so können wir wirklich verhindern, dass Abermillionen Tiere für uns Menschen sinnlos leiden.
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Stand: 09/2018 | Text: © Animal Rights Watch e.V. | Bilder: © Animal Rights Watch e.V.
